München, den 02.06.2010

Sehr geehrtes Veranstaltungsteam von Geotop 2010 in Hagen in Westfalen,

     ich melde mich wegen der Geotoptagung in Hagen (Westf.), bei der ich leider nur einen Tag dabei sein konnte und möchte mich sehr bedanken für das erstklassige Informationsmaterial samt Tagungsband. Danke auch, dass ich mit einem Beitrag über das Werdenfelser Land dabei sein durfte. Ich werde alle Beiträge in SDGG (Bd. 66) in meiner Online-Datenbank festhalten.

Es ist sehr erfreulich, dass auf dem Poster betreffend die regionale Verteilung der Objekte des Deutschen Geopark-Projekts ( Schmidt-Thomé, Röhling, Goth) schon 13 Geoparks eingezeichnet sind. Aber ich bin der Meinung, dass ganz im Süden an ein wichtiges Objekt gedacht werden sollte, nämlich an den Alpen-Geopark, der m. E. von den Allgäuer Alpen im Westen bis zu den Berchtesgadenern im Osten reichen soll. Ich möchte das in einer vorläufigen und deshalb kurz gefassten Begründung wie folgt ausführen und bitte Sie, nicht alles auf die Goldwaage zu legen, was ich heute in aller Eile zusammen geschrieben habe:

Die Entstehung der Alpen beeinflusste erheblich die meso-känozoische geologische Geschichte ihres Vorlandes: z. B. in der

- Bildung einer großräumigen Vorlandsenke durch elastische Flexur, in die aus benachbarten Hochgebieten (Alpen, Bayerisches Grundgebirge) via fluviatilen Transport große Mengen Klastika  (Molassen) eingetragen wurden;
- Kippung der Süddeutschen Großscholle,
- Heraushebung des Nord- und Ostbayerischen Grundgebirges (pheripheral bulge);
- Öffnung des Rheintalgrabens;
- Heraushebung der Harzmasse;
- Initiierung des Salzdiapirismus in Norddeutschland.

Die Existenz des geologischen Inhaltes der Alpen an Deutschlands Staatsgrenze im Süden belegt, zusammen mit Argumenten von vielen weiteren Orten:
- die Fragmentierung Pangäas: typisch hierfür sind Oberperm-Untertriaszeitliche Riftsedimente wie Haselgebirge, Alpiner Verrucano und Alpiner Buntsandstein;
- die Öffnung der alpinen Thethys neben dem Hallstatt-Meliata-Ozean: mächtige Flachschelfkarbonate mit Riff- und Lagunensedimenten (e. g. Wetterstein) bildeten sich ab der U-Trias neben Tiefschelf-Kalksteinen und Bioareniten des Hallstatt-Beckens;
- das Zerbrechen der Karbonatplattform (mit Bildung von Neptunian Dykes) in Becken und Schwellen im Jura, verstärkte Subsidenz und die Bildung ozeanischer Kruste (Penninisches Becken) zwischen den voneinander weg
driftenden Platten Adria und Europa (Entstehung der Steinmann-Trinität: Ophiolithe, Radiolarite, pelagische Kalksteine);
- die allmähliche Schließung der mesozoischen Tethys durch Konvergenz, Bildung eines Tiefseegrabens (Absatz des Rhenodanubischen Flyschs im Penninischen Trog) und schließlich die kontinentale Kollision der Europäischen mit der Adriatischen Mikroplatte im Alttertiär, wobei die Adriatische Platte nach Norden auf den Südeuropäischen Kontinentalrand geschoben wurde: Gliederung in tektonische Decken; Faltung und Überschiebung des Südrandes der Molasse und Bildung von tektonischen Melangezonen mit Kristallinanteil an der Grenze Kalkalpin-Flysch (Arosa-Zone in den Allgäuer Alpen).

In den Alpen ist das Prinzip des Wilson-Zyklus, das Werden und Vergehen eines Ozeans, wahrscheinlich am
besten zu sehen, da alle anderen in Deutschland aufgeschlossenen Gebirgsbildungszyklen viel älter und deshalb tiefgründiger abgetragen oder von jüngeren Serien verdeckt sind.

Ich meine, dass eine didaktisch geschickte Gegenüberstellung von alpinem und germanischem Mesozoikum im Alpen-Geopark sehr interessante Aspekte birgt (Geodiversität); ebenso die Vergleiche zwischen herzynischer
und alpidischer Gebirgsbildung und den Parallelen/Unterschieden in ihren Sedimentationsgeschichten und tektonischen Baustilen.

Des weiteren könnten die Formen und Ablagerungen aus den quartären Kalt- und Warmzeitzyklen der Alpen und ihres näheren Vorlandes (vom Lobus des Bodensee-Lech-Gletschers bis zu dem des Salzachgletschers) mit den entsprechenden Formen und Ablagerungen in Mittel- und Norddeutschland (Muskauer Faltenbogen, Eiszeitland am Oderrand, Meklenburgische Eiszeitlandschaft) verglichen werden.

In den Alpen bestehen, bedingt durch ihre junge Morphologie, zwangsläufig die meisten über längere Strecken durchhaltende Felsfreistellungen in Deutschland, die auch das geologische Interesse wecken. Ihre didaktisch kurzweilig und spannend gebrachte Interpretation und Entstehungsgeschichte sowie ihre Bedeutung für
die aktuelle Situation bietet sich unmittelbar an.

Die Erholungs-, Wellness- und Rehabilitationspotentiale, welche die Alpen Urlaubern, Touristen und Genesenden bieten, sind unbestritten und werden seit über 100 Jahren intensiv genutzt. Die Kultur- und Bergbaugeschichte des Alpenraumes ist einzigartig und hochinteressant. Die Alpen sind über zahlreiche Pfade, Steige, Wander- und Forstwege sowie Bergbahnen bestens erschlossen, sodass der Zugang zu vielen Geo-Objekten erleichtert ist. Viele Geotope werden dort noch über geologische Zeiten fortbestehen; andere werden zerfallen, aber dafür bildet sich Neues. Es werden sich dort neben den bereits beschriebenen noch sehr viel mehr schöne und/oder geologisch interessante Objekte finden lassen. Alleine vom Werdenfelser Land, das nur einen kleinen Teil der Bayerisch-Allgäuer Alpen bildet, habe ich bis dato 2400 Objekte gesammelt (zwei DVDs).

Soviel zu den Argumenten, warum ich für einen Alpen-Geopark spreche und werbe. Soweit mir Zeit bleibt, werde ich versuchen, obige Punkte nachzubessern und auszubauen.

Die Frage ist nun, wer dieses Projekt be- und ausarbeiten könnte, wo der Standort des Alpen-Geopark-Zentrums sein soll und woher die Ressourcen (Geld, Zeit, Personal) kommen sollen.

Über ein feedback würde ich mich freuen.

Viele Grüße aus München!

Hubert Engelbrecht

http://www.umweltgeol-he.de/VirtuellerGeoparkWerdenfels.htm