Wettersteingebirge


Die in der Quartärzeit mehrmals glazial und fluviatil ausgeräumte Loisachstörung gibt den Blick frei auf das Wettersteingebirge: Blick über die Ebenheit bei Farchant auf das Hochgebirge im Hintergrund: ganz rechts: Zugspitze 2962m; knapp rechts der Mitte: Alpspitze 2628m; links: Dreitorspitzen 2634m. Mittelgrund: rechts Kramerspitz 1981m; links Ausläufer des Berges Wank 1780m. Die Lockergesteinsmassen unter dem Farchanter Trogtal im Bildvordergrund erreichen nach reflexionsseismischen und geoelektrischen Daten ca. 550m Dicke; erst darunter folgt Fels. Also ist dieser Bereich des Loisachtales ähnlich einem Fjord von fließendem Eis und Wasser sehr tief ausgeräumt worden.

Geotopbereiche

 
 

Die Schneeferner

Zugspitzplatt und Plattumrahmung

Reintal, Oberreintal

Schachengebiet,
Frauenalpl

Partnachklamm, Partnachalm, Eckbauer

Höllental

Knappenhäuser, Hupfleitenjoch

Kreuzeck, Längenfeld, Alpspitzgebiet

Eibsee, Grainau, Törlen

Stuibengebiet

Meilerhütte

Leutascher Platt und Umrahmung

Gaistal, Puittal, Berglental

Ehrwalder Köpfl

Elmau, Kranzberg

  Wettersteinwand

 

 

Wettersteinwald

 
 

Geografische Position Das Gebirge ist eingegrenzt vom Ehrwalder Kessel im Westen, dem Leutaschtal im Süden, dem oberen Isartal im Osten und dem Loisach- sowie Kankertal im Norden.

Alter des Geotops Faltung, Überschiebung, Heraushebung und beginnende Verkarstung im Tertiär; mehrfache glaziale Überprägung und weitere Verkarstung im Quartär.

Formationen und andere geologische Ablagerungen Reichenhaller Schichten, Alpiner Muschelkalk (Virgloria Formation, Steinalm Formation, Pietra-Verde-Lagen, Knollenkalk Member, Seegrube Member, Reifling Formation), Wettersteinkalk, Partnachschichten, Raibler Schichten, Hauptdolomit, Plattenkalk, Kössener Schichten, Adneter Kalk, Radiolarit, Ammergauer Schichten, Aptychenschichten, Biancone; Ehrwaldit; Längenfelder Brekzie; glazigene Bildungen (Firn und Eis, Moränen, Seekreiden, Terrassenschotter, etc.), Fels- und Bergsturzmassen, Hangschuttmassen, fluviatil umgelagerte Schuttmassen.

Kriterien Eigenart, wissenschaftlicher Wert, Ästhetik, Erhabenheit.

Hyperlinks http://de.wikipedia.org/wiki/Wettersteingebirge

Schlagworte Geomorphologie, Tektonik, Karst, glaziale Überprägung

Geologische Situation
Topographisch höchstgelegener Kluft- und Karstaquifer Deutschlands. Das Wettersteingebirge ist einer der wichtigsten Bestandteile der Geotoplandschaft Werdenfels. Seine Gesteine entstammen einer "First order deepening upward megasequenz": das sind hier vorwiegend kalkige Ablagerungen, die in Kontinentalrandnähe auf einem allmählich in immer größere Meerestiefen absinkenden Meeresboden gebildet wurden und versteinerten. Es liegt das Produkt des Hauptteils eines Wilson-Zyklus vor, der die plattentektonisch gesteuerte Öffnung und Schließung eines Meeres (hier die mesozoische Tethys) zwischen zwei Kontinenten (hier Europa und Afrika) beschreibt. Die triassischen und tieferen jurassischen Teile dieses mehrere Kilometer dicken Sedimentpakets entstanden, als sich Afrika und Europa voneinander entfernten, die dazwischen befindliche Kruste ausdünnte und zunächst langsam, später rascher abzusinken und zu zerblocken begann; man bezeichnet ein solches geotektonisches Umfeld auch als "passiven Kontinentalrand". Die Sedimente des jüngeren Jura und der älteren Kreidezeit sind durchwegs in großen Meerestiefen entstanden. Sie entsprechen Ablagerungen an einem aktiven Kontinentalrand, als Afrika und Europa wieder aufeinander zu drifteten.

Das Wetterstein-Hochgebirge, geologisch ein kleiner Teil des Kalkalpins, besteht im wesentlichen aus Paketen vieler Tausend, vor 240-210 Millionen Jahren am Boden eines warmen und flachen Meeres abgelagerten Kalksteinschichten: An der stratigraphischen Basis befinden sich 100 m Reichenhaller Schichten, darüber 300-450 m Alpiner Muschelkalk (der sich aus Virgloria Formation, Steinalm Formation, Pietra-Verde-Lagen, Knollenkalk Member, Seegrube Member, Reifling Formation zusammensetzt), überlagert von 800-1000 m Wettersteinkalk, dem Hauptgipfelbildner. Die im nördlichen Vorgebirgsbereich ausstreichenden 300-400 m mächtigen, aus Ton- und Mergelsteinen sowie dunkelgrauen Knollenkalksteinen bestehenden Partnachschichten entstanden zeitgleich mit dem Wettersteinkalk in benachbarten, schlecht durchlüfteten Meeresbeckenbereichen. Formationen der jüngeren Trias (Raibler Schichten, Hauptdolomit, Plattenkalk, Kössener Schichten etc.) sind vorwiegend auf den nordöstlichen und nordwestlichen Vorgebirgsbereich beschränkt.
Die Ablagerungen des Jura und der älteren Kreide - z. B. Adneter Kalk, Allgäuschichten, Liaskalke, Radiolarit und Aptychenschichten - sind an den westlichen, südlichen und z. T. auch östlichen Steilflanken des Gebirges in speziellen Positionen aufgeschlossen: als tektonisch Liegendes oben genannter, Kilometer mächtiger, triassischer Kalksteinformationen. Die in diesem Phänomen angedeutete, nach Norden gerichtete Fernüberschiebung ereignete sich während der mehrphasigen meso- und neoalpidischen Gebirgsbildung vor 25-7 Millionen Jahren, nachdem Europa und Afrika kollidiert waren und Teile der zwischen ihnen befindlichen Meeresablagerungen entwurzelt und auf die Kontinentalränder geschoben wurden. Zudem fand dabei Faltung, Scherung und bruchhafte Verformung im Gestein statt: Ereignisse, welche damals die morphologische Grundstruktur in jedem Gebirge, so auch im Wettersteingebirge, festlegten.

Fossile, im Wettersteinkalk angelegte Landschaften (Altformen), die im mittleren Tertiär (Oligozän: 35-25 Millionen Jahre) vor der Faltung und Heraushebung zum Hochgebirge bestanden, sind in tektonisch geschützter Position am Zugspitzplatt - ein flaches und weitspanniges Muldenzentrum - und anderen Lokalitäten (z. B. Leutascher Platt, Frauenalpl, Bergl im Höllentalkar) erhalten geblieben.

Bruchhafte Verformung, die oftmals zeitgleich mit tektonischer Kompression einherging, erzeugte im Tertiär übergeordnete Lineamente: zerrüttete Schwächezonen im Gestein (Brekzien, Mylonit), die durch die Langzeitwirkungen chemischer Verwitterung sowie fluviatiler und glazialer Erosion zu Hauptlängstälern (Reintal, Höllental) ausgeräumt und erweitert wurden. So entwickelte sich, gesteuert durch lithologische und tektonische Vorgaben, im jüngeren Tertiär und Quartär allmählich das heutige morphologische Gepräge des Wettersteingebirges.

Von ihrem Vorfluter entkoppelte fluviatile Ablagerungen (teilweise meterdick geschichtete, vorwiegend karbonatische Brekzien und Konglomerate) liegen reliktisch u. a. bei den Schwalbenwänden am Längenfeld zwischen Kreuzeck und Hochalm vor. Sie sind vermutlich pliozänen Alters. Die flach geneigten Schichtbänke lagern tektonisch diskordant den gefalteten Raibler Schichten auf.

Weite Karstareale sind u. a. auf dem Zugspitzplatt und dem Leutascher Platt erhalten geblieben und haben sich im Quartär - vom Eis der Kaltzeiten mehrmals überprägt - weiterentwickelt. Alleine auf dem Zugspitzplatt kennt man weit über 70 z. T. mit Schnee und Eis plombierte Höhlen und Schächte. Karstquellen treten u. a. im Reintal und in der Höllentalklamm aus.

In den Gebirgstälern und an ihren Flanken haben sich im Quartär große Mengen von Lockergesteinsmassen wie Moränen, Fels- und Bergsturzmassen, Hangschutt, Schuttfächer und fluviatiles Geschiebe angesammelt. Nur bei lange anhaltenden Starkregenereignissen oder sehr rascher Schneeschmelze können kleinere Teile davon mobilisiert werden, wie z. B. am 23. August 2005.

Seeablagerungen entstanden in morphologischen Senken, die durch verstärkten glazialen Grundschliff (Karschwellen, Konfluenzbereiche) erzeugt oder an erosiv ausgeräumten tektonischen Störungen angelegt worden sind. Hohlformen entstanden auch da, wo inkompetentes, also weiches Gestein (z. B. Partnach-Tonmergel, Raibler Mergel- und Sandsteine) der Glazialerosion kaum Widerstand entgegensetzen konnte. Stauseen bildeten sich in Talungen, nachdem deren Entwässerungswege durch Fels- oder Bergsturzmassen blockiert wurden. Viele dieser Gebirgsseen sind inzwischen verlandet oder mit Lockermaterial (Seekreiden, fluvioglaziale Schotter und Sande) verfüllt und somit fossil.

Der partikuläre fluviatile Stoffaustrag (Schwebfracht, Sand, Geschiebe) aus den aktuellen Einzugsgebieten erfolgt über ein dynamisches Sedimentkaskadensystem. Bemerkenswert ist, dass die Menge des Stoffaustrags an chemisch gelöster Substanz (hauptsächliche Ionenfracht: Calcium und Hydrogenkarbonat, untergeordnet Magnesium und Sulfat) diejenige des partikulären Austrags weit übertrifft.

Der Geotop Wetterstein ist Typuslokalität für die geologischen Formationen Wettersteinkalk und Partnachschichten sowie für das vulkanische Gestein Ehrwaldit, das an einigen Lokalitäten im Wetterstein und auch im Karwendel aufgeschlossen ist. Ferner ist der Wamberger Sattel - eine bedeutende tektonische Struktur im Falten-Überschiebungsbau des Kalkalpins, benannt worden nach dem gleichnamigen, südlich des Kankertales gelegenen Vorbaues des Wettersteingebirges.

Das Wettersteingebirge ist ein auf weiter Fläche frei exponierter, intensiv tektonisierter, verkarsteter und auf Schadstoffbelastungen empfindlich reagierender Hauptaquifer.

Historischer Bergbau:
An der Hammersbacher Alpe bestand ein Vorkommen von Eisenvitriol, das von ca. 1579 an über mindestens 100 Jahre abgebaut wurde. Nach Blei und Zink wurde bei den Knappenhäusern im Höllental, am Sockel der Ferchenseewand sowie am Riedbodeneck bei Scharnitz geschürft. Da die Vorkommen bald erschöpft waren, mussten diese Tätigkeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. eingestellt werden. An den Knappenhäusern, wo von 1827 bis ca. 1861 Blei abgebaut wurde, lebte der Bergbau ein zweites mal auf, als von 1907 bis 1925 nach Gelbbleierz gesucht wurde. Dieses Mineral enthält das Spurenmetall Molybdän, das bei der Stahlveredelung wesentlich ist. Im Rahmen dieser Schürfarbeiten wurde in der Höllentalklamm ein mit der Wasserkraft des Hammersbaches betriebenes Elektrizitätskraftwerk errichtet, damit mehr Energie für die Bohrhämmer zur Verfügung stand.
Geringe Mengen an Fluorit fand man im Bergbaustollen II unter der Ferchenseewand.
Der Abbau von Steine-Erden-Material fand an der Peripherie des Wettersteingebirges statt: abbauwürdige Mengen an Seekreiden (spätglaziale eisrandnahe Staubeckenablagerungen) wurden seit ca. 1660 gefördert, wie z. B. bei Elmau, Kranzbach, Mittenwald und Kaltenbrunn; letzteres Vorkommen ist heute noch in Betrieb. Gereinigt und veredelt findet das Material u. a. als Baustoff (Kitt-, Füll- und Dichtmasse) sowie als Rohstoff in der chemisch-technischen Industrie Verwendung. Kalkstein (Wettersteinkalk, Plattenkalk, Alpiner Muschelkalk) und fluvioglaziale Schotter und Sande wurden an diversen Lokalitäten im Tagebau abgebaut, sofern man dies mit dem Naturschutzgedanken für vereinbar hielt.

Sonstiges
Das Gebirge besteht aus drei Hauptkämmen - Waxenstein-, Blassen- und Wettersteinkamm - die sich allesamt am Zugspitzgipfel im westlichen Teil des Gebirges vereinen. Zwischen ihnen liegen zwei markante Talungen -das Rein- und das Höllental - , in denen sich imposante Klammen entwickelt haben.
Bedeutende Erschließer dieses Gebirges waren der Alpinist Hermann von Barth und der Ingenieur Adolf Zoeppritz. Spätestens seit Bestehen der Eisenbahnverbindung München-Garmisch (1889) finden Erholungsuchende, Touristen, Naturfreunde, Skifahrer, Bergsteiger und Kletterer im Wettersteingebirge die Erfüllung ihrer Sehnsüchte nach Natur.

Literatur:
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© Dr. Hubert Engelbrecht, Geologe