28.11.2019, 16.00 Uhr

Beitrag zur Klimadebatte

Sehr geehrte Damen und sehr geehrte Herren,

Sie luden Ihre Leserschaft in einer Nachricht ein, zu Fragen und Problemen in der Klimadebatte beizutragen: ob Klimaschutzmaßnahmen die Gesellschaft sozial spalten werden; ob der Durchschnittsbürger über ausreichend Klimawandel-Grundlagenwissen verfügt; ob es möglich ist, den Überblick zu bewahren in einer sich immer weiter differenzierenden Klimadebatte; etc..

Ich schreibe, weil mich das damit direkt zusammenhängende Thema Umwelt schon seit der Gymnasialzeit (Abi1976) interessiert. In der Mittelstufe hatte ich einen Deutsch- und Geschichtslehrer, der sich damals für das Thema Umweltschutz einsetzte und der das in die deutsche Sprache übersetzte Buch "Meadows, D. L., Meadows D., Randers, J. (1972): Die Grenzen des Wachstums" zu lesen empfahl.

Viele Jahre später bin ich meiner Verantwortung als Geologe nachgekommen und habe versucht, den aktuellen, durch den Menschen beeinflussten Zustand der Natur zu beschreiben. Resultat war das Buch 250 Years of Industrial Consumption and Transformation of Nature: Impacts on Global Ecosystems and Life, Dez. 2017, http://dx.doi.org/10.2174/97816810860191170101. Es enthält einen Überblick betreffend die menschengemachte Beeinträchtigung der Landoberflächen, der Eismassen, der Binnengewässer, der Küsten, der Weltmeere, der Atmosphäre, der Flora und Fauna sowie der Menschen selbst. Die über gut 3 Jahre gegangene Lese- und Schreibarbeit war einerseits faszinierend, andererseits aber auch seelisch belastend, weil meine Befürchtungen übertroffen wurden und weil auch in diesem Fall das Ganze immer mehr ist als nur die Summe seiner Bestandteile.

Ich will hier beitragen zu den von Ihnen angeregten Kommentaren zum Stand des Wissensniveaus des Normalbürgers betreffend Klimafakten ("Klima-Wissen"), und - darüber hinausgehend - zum Stand des Begreifens/Bewusstmachens der dafür verantwortlichen Ursachen und evtl. zum Qualitätsgrad der Verinnerlichung ihrer tiefer gehenden Bedeutungen und Konsequenzen.

Ich habe nach mehreren von mir ausgeführten Fortbildungen zum Thema "Klimawandel und Anthropozän: Ein Überblick" in der Umweltabteilung im Deutschen Museum in München den Eindruck bekommen, dass viele Kursteilnehmer noch zu wenig Information haben, was die großen raumzeitlichen, materiellen und energetischen Dimensionen des Themas (und seinen zugrundeliegenden Vorgängen), seine historische Entwicklung sowie seinen Komplexitätsgrad und seine Fern- und Langzeitwirkungen anbelangt. Die in den nächsten Zeilen genannten Zahlen und Größenverhältnisse sowie ihre Bedeutungen für Klima, Umwelt und Mensch waren den Kursteilnehmern entweder nur marginal oder noch nicht geläufig. Die großen Zahlen der anthropogenen Stoff- und Energiedurchsätze, die den Klimawandel verursachen, sind ein Problem des Verstehens, Begreifens und des Verinnerlichens. Sie übersteigen das für den normalen Menschen Vorstellbare - das menschliche Maß - um Größenordnungen. Viele dieser Zahlen sind deshalb kaum oder noch gar nicht in ihrer Bedeutung erkannt  worden. Es besteht deshalb dringender Handlungsbedarf, diese und ihre Wirkungen in allen räumlichen und zeitlichen Dimensionen anschaulich zu machen, damit der Klimawandel leichter begreifbar wird. Bei den folgenden fünf Fragen, die ich auch bei den Fortbildungen angehe, habe ich die Antworten hinzugefügt. Damit will ich zeigen, wie ich versuche, die großen Zahlen und ihre Bedeutungen den Interessenten verständlicher zu machen.

Beispiele:

1) Was ist größer: die menschengemachten CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern oder die natürlichen CO2-Emissionen aller Vulkane? Was sind die Folgen hoher CO2 Emissionen? 2016 ist ca. 130 mal mehr fossiles CO2 (34 GT) emittiert worden als durch vulkanische Entgasungen (0,26 GT) auf den Kontinenten und auf dem Meeresgrund; diese ruhigen vulkanischen Entgasungen im Hintergrund bleiben über die Jahre gleich und machen einen Großteil des fossilen CO2 aus, das auf natürliche Art entsteht und das CO2 ersetzt, das durch Silikatverwitterung, Photosynthese und Einlagerung organischen Kohlenstoffs in den Geokreislauf der Atmosphäre und dem Meerwasser entzogen worden ist. Somit wird seit Beginn der Industrialisierung ein natürliches Gleichgewicht immer stärker gestört. Denn für diese großen Mengen an menschengemachtem CO2 bestehen weder ausreichende natürliche Senken - wie Vegetation, Gestein und Wasser, wo es absorbiert werden könnte - noch künstliche. Der im Wasser gelöste Anteil des  CO2 dissoziiert chemisch und führt zu einer Versauerung von Meeren und Gewässern, was zu einem Anpassungsdruck für viele Meereslebewesen führt. Das in der Atmosphäre sich anreichernde CO2 wirkt als Treibhausgas und führt global zum Ansteigen der gemittelten Temperaturen und zu Veränderungen etablierter Luftströmungen, des Feuchtetransports und des Gehaltes an Wasserdampf. Tier- und Pflanzenwelt sowie der Mensch werden unter Anpassungsdruck gesetzt. Die jährlich größer werdenden Schmelzwassermengen aus Antarktis und Arktis (derzeit ca. 1200 GT) beginnen nicht nur die derzeitigen Küstenlinien zu überfluten, sondern sie überschichten die Meereswässer und mindern die Ausgleichsströmungen mit den Tiefenwässern, sodass weniger CO2, das in den Oberflächenwässern sich gelöst hat, in die Tiefe gelangt.

2) Wer kann den derzeitigen globalen Jahresenergiedurchsatz begreifen? Wieviele Arbeiter wären virtuell notwendig für die gegenwärtig geleistete globale Arbeit zum Antrieb aller vorhandenen Maschinen? Um welchen Betrag würde sich die Weltbevölkerungszahl erhöhen und wäre dieser Zustand nachhaltig? Hier eine erste, sehr einfache Schätzung: die durch Nutzung fossiler Energieträger zum Antrieb der Maschienen erzeugte Primärenergie im Jahr 2014 entsprach einer Arbeitsmenge von 540 Exajoule, umgerechnet in kWh: 540x1018 x 2,78x10-7 = 1,5 x 1014 kWh. Die maximal verrichtbare Jahresarbeit eines gesunden und jungen Menschen liegt bei 100 kWh (dazu müsste dieser Mensch z. B. ein Jahr lang spätestens jeden 3. Tag von Garmisch-P. auf die Zugspitze steigen und wieder zurück). Wenn also die für 2014 berechnete globale Arbeitsmenge virtuell von Menschen - und nicht von Maschinen - hätte bewältigt werden sollen, wären 1,5x1012 (1500 Milliarden) Arbeiter zuständig gewesen; also wären 207 mal mehr Personen im Jahr 2014 notwendig gewesen, um für die damals vorhandenen 7,23 Mrd. Personen die globale Maschinenantriebsarbeit auszuführen. Also durchschnittlich 200 Arbeitssklaven pro Weltbürger im Jahr 2014; in den Industrieländern wäre die Zahl der Arbeiter pro Bürger freilich noch viel höher gewesen, weil sie in den Entwicklungsländern gegen Null gegangen wäre. Sollte diese Rechnung in der Größenordnung stimmen, dann ist das weder ein sinnvoller noch nachhaltiger Zustand. Das menschliche Maß ging mit den Optionen "Maschine", "Knopfdruck" (Schalterstellung auf EIN) und "Gaspedal niederdrücken" an vielen Orten, bei vielen Situationen und auf vielen Ebenen verloren; die Folgen waren Überforderung und Wirklichkeitsverlust: weil der Mensch die zu erledigende Arbeit an technische Apparate auslagern konnte, erfuhr er mangels eigenen physischen Mitwirkens nicht mehr direkt, vollumfänglich und unmittelbar die Bedeutung und Wirkungen der Gesamtfolgen der gewählten Optionen: immense Arbeitslasten, Stoffdurchsätze und Schadstoffmengen.

3) Welche Mengen an Gestein müssen abgebaut werden, um die Menge an Urandioxid zu erhalten, mit der ein Kernkraftwerk betrieben wird, das pro Jahr 1 GW Strom erzeugt? Kann dieser Strom CO2 neutral sein? Dazu sind 27 T UO2 notwendig, das zu 4,5% mit 235U angereichert sein muß. Dieses Material wird aus 230 T yellowcake, einem Gemisch verschiedener Uranminerale, gewonnen. Dieses wiederum wird hergestellt aus aus 210000 T uranhaltigem Gestein, das im Tage- oder Tiefbau aus dem Fels gesprengt wird. Die Gesteinsbrocken werden in Kugelmühlen zu feinem Pulver gemahlen, damit der geringe Gehalt an Uranmineralien mittels schwefeliger Säure extrahiert werden kann. Dabei entstehen ca. 105000 m³ Restschlamm, der in großen künstlichen Becken - das sind die industriellen Absetzanlagen - sich selbst überlassen bleibt. Am Reaktor selbst besteht die laufende jährliche Atommüllproduktion aus 23 T Urandioxid mit noch 0,8% 235U, 240 kg Transurane (hauptsächlich Pu) und 1,1 T Spaltprodukte sowie Isotope. Es ist selbsterklärend, dass ein Energieversorgungs-System dieser Art nicht CO2 neutral sein kann. Dazu kommen die Aufwendungen wegen der für den Atommüll notwendigen Endlager und die nach der Verbringung sich daran anschließende Jahrtausende dauernde Überwachung der Endlager und der Absetzanlagen. Fazit: Das war der teuerste Strom aller Zeiten.

4) Wie entstehen Kohlenstoff- und Kohlenwasserstofflagerstätten und was bedeuten sie? Kohle, Erdöl, Erdgas und Methanhydrate bestehen aus natürlichen Ansammlungen umgewandelter organischer Reste von Myriaden Individuen von Pflanzen und Tieren, die in riesigen Massengräbern fossilisierten, dann in den Gesteinskreislauf integriert wurden dort viele Millionen Jahre überdauerten. Man kann der Ansicht sein, dass jede Kreatur, auch in ihrem post-mortem Fossilzustand, von sich aus einen moralischen Wert hat, sodass sie ein Recht hat, unbeschadet und ungestört in diesen großen Totengemeinschaften zu ruhen. Man hat aber die Inhalte dieser Massengräber aufgebrochen oder angebohrt, vernutzwertet und die dort vorhandenen Kohlenwasserstoffe als Energieträger ausgebeutet, mit ihnen Geld gemacht und in steigenden Mengen verbrannt; sie sind seit 250 Jahren energetischer Kern und Treibsatz der Industrialisierung. So starben diese Kreaturen ein zweites mal, indem man sie nur in Wärme sowie Asche und Gas umwandelte. Diese seit ca. 1760 in immer größerem Stil betriebene Leichenfledderei, Grabschändung und -räuberei ist psychologisch und moralisch schädlich und führt zu Verrohung; es mindert den Respekt vor anderen Lebensformen, vor der Entwicklung des Lebens, vor der Totenruhe und verringert Scham und Selbstwert der Akteure. Zwischenzeitlich wurden die unheilvollen Omen solchen Handelns wahr in Form immer größer werdender ökologischer Probleme.

5) Wer kann den raschen Anstieg der Weltbevölkerungszahl (bis zum Jahreswechsel 2019/2020 ca. 7,75 Mrd.) und die damit verbundenen Risiken und Folgen begreifen? Es dauerte 300000 Jahre, bis zum Beginn der Zeitenwende ca. 10 Millionen Menschen der Art Homo sapiens lebten, 1800 Jahre später waren es schon 1 Milliarde und nur 220 Jahre später 6,75 Milliarden Personen mehr. Das ist eine Entwicklung, die garantiert nicht gut sein kann und die jedem, der vernünftig ist und Verantwortung spürt, Angst bereiten muß. Denn je mehr Menschen mit immer weiter wachsenden Ansprüchen da sind, desto größer das Risiko von Versorgungsengpässen bei Nahrung und vielen mineralischen Rohstoffen. Phosphor und Wasser, für die Physiologie von Pflanze, Tier und Mensch essentielle Grundstoffe, werden inzwischen knapp. Zur Versorgung einer Weltbevölkerung dieser Größe beträgt die aktuelle globale Jahresdurchsatzmenge an Rohstoffen 316 GT (https://doi.org/10.1177%2F2053019618800234) - das entspricht umgerechnet einem Granitwürfel mit Kantenlänge 4,9 km - ;  nur durch Verwertung dieser Stoffmenge wird das globale Wirtschaftssystem am Laufen gehalten. Es ist selbsterklärend, dass diese Art Massenversorgung nicht nachhaltig sein kann. Eine der Folgen der Ausbreitung des Menschen war die Verdrängung von naturbelassenem Terrain mit ihren Wildtierpopulationen. Die Folge: derzeit bestehen 97% aller Säugetiere an Land nur mehr aus Mensch und seinen Nutztieren. Biologen und Naturschützer beobachten den damit verbundenen Artenschwund mit großer Sorge. Jährlich werden global 449,2 MT tote tierische Masse in den Schlachthäusern produziert. Wegen des fortschreitenden Klimawandels, der Übernutzung der Böden und des Flächenverbrauchs wird die Bodenqualität schlechter und die Größe aller verfügbaren Ackerflächen zurückgehen. Prognosen zufolge werden bis 2050 die Ernten um 20% zurückgehen; die Weltbevölkerung wird aber um den gleichen Betrag wachsen. Notabene: Die Gesamtmenge an Gestein und Material, die der Mensch seit 5000 Jahren aus der Erde extrahiert, wird auf 43,3 TeraT geschätzt: Das entspricht einem Granitwürfel mit 25,5 km Kantenlänge oder ein Granitquader mit den Maßen 103 km Länge, 40 km Breite und 4 km Höhe.

Weil in der Makrosphäre der Grundsatz "actio est reactio" immer gilt, kann es niemanden überraschen, wenn die durch das traditionelle, inzwischen zu gigantischer Größe gewachsene Weltwirtschaftssystem hervorgerufenen ökologischen Äquivalente/Folgen ebenfalls "unvorstellbare" Dimensionen in Form großer Veränderungen und Schäden in der Natur angenommen haben: Klimaerwärmung, Meeresspiegelanstieg, Meerwasserversauerung, Meerwasser-Deoxygenation, Kontamination und Eutrophisierung von Gewässern, Bodendegradation, Eisschmelze, Rückgang des Permafrosts, verstärkte Fels- und Bodenerosion, Anpassungsdruck, Biodiversitätsverlust, etc. pp.; planetare Kippunkte könnten bald überschritten sein; oder sind es schon. Die Feststellung gegen Ende meines Buches könnte wohl leider richtig gewesen sein: dass ein Zeitalter ähnlich dem der Aufklärung (Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker spricht von Aufklärung 2.0) notwendig sein wird, damit der "moderne Mensch" sich auch in den Folgen seines Wirkens auf die Natur - und sich selbst - endlich selbst erkennt: er seine selbst geschaffenen Probleme einsieht, sich der Wirklichkeit - den Folgen seiner verwerflichen Gewaltausübung gegen die belebte und unbelebte Natur - stellt und sein Verhalten wegen den hervorgerufenen Klima- und Umwelt-Kalamitäten entsprechend ändert. Die Frage ist, was getan werden kann bzw. was noch geschehen muss, damit ökologische Belange ebenso ernst genommen werden wie ökonomische. Es darf nicht sein, dass ein kapitalistisches und postfaktisches Zeitalter Logik, Vernunft, Rücksicht und Verantwortung abgeschaltet hat. Ein Grundproblem besteht auch darin, dass die Ökonomie so alt ist wie der Mensch, weil diese Art Handel zum Zweck kurzfristiger Vorteile sein Überleben ermöglichte; der Gedanke an nachhaltiges Wirtschaften aber ist vom Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz erst im Jahr 1713 schriftlich dargelegt worden; und die Ökologie ist erst durch Prof. Ernst Haeckel im Jahr 1866 einem größeren Kreis bekannt gemacht worden.

Viele Menschen sind mit dem Verstehen und Begreifen von Größe und Intensität der beschriebenen Naturbeeinträchtigungen, dem daraus resultierenden Klimawandel und seinen Gefahren und Risiken für die Lebewelt überfordert und/oder wollen wegen des Ernstes der Lage lieber nicht so genau Bescheid wissen. Es liegt wohl im archaischen Verhalten des Menschen, dass, wenn problematische Fakten bzw. die damit dargestellten beunruhigenden Wahrheiten das Maß des noch erträglich Scheinenden übersteigen - sie umgangssprachlich "unvorstellbar" werden - er sie reflexhaft abwehrt, verdrängt, ausblendet, er vor ihnen die Augen verschließt oder überfordert ist und in Passivität/Fatalismus/geistige Starre/Eskapismus verfällt; dafür nenne ich am Textende Beispiele. Freilich sind diese Reaktionsweisen irrational und falsch, weil damit das bestehende, selbst geschaffene, zerstörerische System fortbesteht und sich die Situation weiter verschlechtert: Grandiose Ideen von Koryphäen aus Wissenschaft und Technik und wertvollste Rohstoffe fanden seit Beginn der Industrialisierung Massenanwendungen in einem Wirtschaftssystem, das aber nur auf archaische Faktoren wie Reproduktion, Wachstum und schnellen Profit ausgerichtet ist und das ökologische Regeln, Grenzen und Gebote weitgehend ignoriert. Milliarden Maschinen und Apparate verrichten seitdem unter Antrieb vorwiegend fossiler Energieträger nicht mehr vorstellbare große Mengen an Arbeit und setzen wegen der dabei ablaufenden chemischen und physikalischen Reaktionen zwangsläufig riesige Massen an Schadstoffen und Wärme frei, für die aus ökonomischen Gründen und mangels ökologischer Vernunft kaum entsprechende Senken zu ihrer Absorption geschaffen worden sind.

Ich meine, dass wegen entstandener vielfältiger Abhängigkeiten, Verflechtungen, Pfadgebundenheiten, innerer Widerstände und etablierter Machtverhältnisse - wirtschaftlich, politisch, finanzkapitalistisch, medial - alle vor dem größten Globalproblem stehen, das der Mensch jemals geschaffen hat. Die Krisen, Brüche und Probleme, die beim Aufbau der Industrialisierung entstanden, halte ich gegenüber dem zu Erwartenden für gering. Wenn es nicht in einer konzertierten Gesamtaktion gelingt, dieses Globalproblem zu lösen, war die Schaffung allen Wissens, aller Kultur und Kunst umsonst. Ein solches Versagen wäre auch ein Indiz dafür, dass die Entwicklungsstände des freien Gesamtwillens und der Gesamtvernunft der Menschheit zu schwach waren gegenüber dem bestehenden ökonomischen Determinismus und den damit zusammenhängenden menschlichen Defekten (Trägheit, Gewöhnung, Geiz, Raff- und Habgier, Indifferenz, Sucht, Vorteilnahme, Rücksichtslosigkeit, etc. pp.). Es kann nicht sein, dass ein Planet, dessen Umlaufbahn sich ausnahmsweise in einer habitablen Zone befindet, der geschützt ist durch eine Ozonschicht, durch ein derzeit starkes Magnetfeld und ein relativ gleichförmig strahlendes Zentralgestirn, auf dem wegen des Daseins großer Wassermengen sich über Jahrmilliarden komplexes Leben und schließlich das Denkvermögen und das Bewusstsein entwickeln konnte, durch unsensibles Agieren der Pionierspezies homo sapiens in einen labilen und inhabitablen Zustand gebracht wird; genannte Speziesbezeichnung hätte sich in diesem Falle als sehr peinlicher Euphemismus herausgestellt. Wahrscheinlich ist durch die Bioevolution eine zu aggressive Spezies entstanden, die zudem nur an ihre kurzfristigen Vorteile denkt und langfristig-nachhaltiges Handeln erst mühsam erlernen muß. Fazit: Es muß allen gelingen, global vernetzt so zu denken und zu steuern, dass es verantwortlichem und nachhaltigem Handeln und Wirtschaften entspricht (das ist nichts anderes als der global und ökologisch gedachte kategorische Imperativ von Immanuel Kant).

Ich meine: Das Warten auf einen globalen Bewusstseinswandel betreffend Klima- und Umweltschutz dauert zu lange, weil viel zu Viele meinen, Andere seien schuld und müssten deshalb anfangen, sich zu bessern. Deshalb sind m. E.  Sofortmaßnahmen notwendig wie eine angemessene Umweltsteuer betreffend die Verwendung fossilen Kohlenstoffs, weil die Preise dafür zu niedrig sind. Freilich sind noch viele weitere Maßnahmen notwendig: nicht verhandelbare Freizeit-Energie- und Mobilitäts-Kontingente pro Person; - Verbot innerdeutscher und innereuropäischer Flüge; Profit- und Konkurrenzbeschränkungen; Verlagerung des Waren- und Gütertransportes auf die Bahn (dort mehr Subvention und Investition); Besteuerung von Flugbenzin; Verbot von SUVs, Wohnwägen, historischen Fahrzeugen, Luxusjachten, -jets, Kreuzfahrten und Autorennen; Verbot von PKWs über 100 PS; keine Subventionen mehr für klimaschädigende Wirtschaftstätigkeiten und Technologien; Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen in Deutschland; Mindestpreise für Produkte und Flixbustickets; Regionalisierung der Lebensmittelerzeugung; positive Beeinflussung von Verbraucherverhalten: weniger Fleisch-, Zucker-, Tabak- und Alkoholprodukte; Abgabe eines ordentlichen/fairen Teils der Gewinne der Genussmittelindustrie an Sozial- und Krankenkassen; weniger Verpackung; bessere Recyclingquoten; keine Forschungsgelder für die Entwicklung von Atomreaktoren der 4. Generation (Flüssigsalzreaktoren), die auch das in 10 mal größerer Menge vorhandene Thorium und angeblich auch Atommüll verwerten; keine Forschungsgelder für Mond- oder Marsmissionen (freilich dann wieder, wenn die globalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsprobleme allesamt nachhaltig gelöst sind) und für Bergbau im All; Minimierung der Bau-, Versiegelungs- und Flächenverbrauchstätigkeiten; Besteuerung emittierter Treibhausgase und Aerosole; Internalisierung aller Kosten und Schäden, die während der Abbau-, Rückbau- und Renaturierungsphasen von Bergwerken und Tagebauen entstehen; verpflichtendes Schul-, Berufsschul- und Studien-Hauptfach Ökologie/Umwelt/Klimawandel, präsentiert nur von den besten Pädagogen; noch größere Medienpräsenz der Themen Umwelt und Ökologie; Versuche, Entscheidungsträgern in Wirtschaft, Forschung und Politik die Mängel und Gefahren der traditionellen Ökonomie begreiflich zu machen und ihre daraus sich ergebende Verantwortung, innerhalb des sich schließenden Zeitfensters den Systemwechsel zu vollziehen. Wegen der Unvernunft und Schwäche der allermeisten Menschen halte ich leider nur wenig von den Möglichkeiten des angeblich Einsichtig-Werdens und der scheinheiligen Selbstverpflichtung in vielen dieser Punkte und fordere deshalb, was ich in der Tat sehr bedauere: Gesetze und Verordnungen. Das ist eine Notwendigkeit, weil Klimawandel - wie Krieg - ein Zustand ist, der aus Defiziten in den genetischen Eigenschaften der Spezies homo sapiens resultiert.

Mit freundlichen Grüßen

Hubert Engelbrecht

Lit: 250 Years of Industrial Consumption and Transformation of Nature: Impacts on Global Ecosystems and Life, Dez. 2017, http://dx.doi.org/10.2174/97816810860191170101

P.S.: Beispiele für "unvorstellbare" Wirklichkeiten, welche die Betroffenen (Personen der Zeitgeschichte; Romanfiguren) überforderten; sowie irrationale Reaktionen der Überforderten:

- Das Anstimmen lauter Gegengesänge in den Rettungsbooten nahe dem sinkenden Luxusliner Titanic, um die um ihr Leben schreienden 1500 Schiffbrüchigen, die im -2°C kalten Meerwasser trieben, zu übertönen;

- Shakespeare's Macbeth: 1:  - Der Diener: "...der Wald fängt an zu gehn". Antwort Macbeth: "Lügner...!"; 2: - Macbeth, der Banquo ermorden ließ, sah in seiner Phantasie dessen Geist, wie er auf seinem Stuhl in einer Tafelrunde Platz nahm;

- Der trotz des bestehenden Nichtangriffspaktes erfolgte Überfall der Wehrmacht auf die UDSSR  führte zu einer taktischen Überraschung der nicht gefechtsbereiten Roten Armee, weil Stalin den Informationen seiner Geheimdienste über einen abgeschlossenen Aufmarsch Reichsdeutschen Militärs an Russlands Westgrenze zu lange misstraute;

- Deportation von Juden, die deshalb nicht rechtzeitig emigrierten, weil sie im 1. Weltkrieg für das Deutsche Reich an der Front standen und für sie deshalb derartige Maßnahmen nicht vorstellbar war;

- Ignorieren schwerer Erkrankungen, Einschränkungen oder großer Verluste;

- Entgegen dem Allgemeinwissen um die Endlichkeit der Ressourcen und der finiten Biosphäre erfolgt weiterhin staatlich subventionierte, intensivst humanbiologische Vermehrung und ihre vielfache staatlich-fiskalische Förderung; dazu Fertilitätskliniken;

- Tschernobyl-Liquidatoren erlitten bei ihrem Einsatz lethale Strahlendosen. Ein Journalist fragte einen auf einer Bahre liegenden Liquidator, wie es ihm nach seinem Einsatz geht. Antwort: "Normalno" (übersetzt: alles in Ordnung);

- Wegen der Endlichkeit jedes Menschenlebens erzeugt der Lebenswille das Hoffen in ausweglosen Situationen, den Jenseitsgedanken, die Anti-Aging Bewegung (forever young) und den Gedanken an Lebensverlängerung durch Kryokonservierung;

- Wachsende Bedenken wegen des sich verschlechternden Zustandes der irdischen Umwelt trugen bei zur Suche nach erdähnlichen Exoplaneten im Weltall und zum Projekt Terraforming auf dem Mars: moderne Versionen der Arche Noah, für die ganz unnötig Mittel im neunstelligen Bereich verschwendet werden.

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