21-02-2021

Geowissenschaften und Verantwortung

Es geht hier um das m. E. zu wenig beachtete, große Thema „Geowissenschaften und Verantwortung“. Ich möchte meine Anregung zu dem Thema erneuern, das ich für wichtiger denn je halte und das ich schon einmal in die Diskussion zu bringen versuchte (siehe auch: Vorwort im Buch: 250 years of industrial..; darin Fußnote 1 in Kapitel 3; Kapitel 5). Weil ein Mehr an Wissen sehr oft ein größeres Quantum an Macht, Einfluß und Gestaltungspotential sowie die Möglichkeit des Überlegenseins bedeutet, ist es im Geltungsbereich der Vernunft mit Verantwortung positiv korreliert. Deshalb sind u. a. das Russell-Einstein-Manifest (1955) und die Erklärung der Göttinger 18 (1957) entstanden. Daraus folgere ich schon vorab: Geowissenschaftler tragen am aktuellen Klimawandel ein erhöhtes Maß an Verantwortung, weil sie, anders als Fachfremde, detailliertes Wissen über die physikalischen, chemischen und biologischen Abläufe in Dynamik und Entwicklung des Erdsystems und damit auch der Atmosphäre haben; um ihre Verantwortung zu realisieren, müssen sie sich für die Eindämmung des Klimawandels einsetzen; so wurde ein Teil von Ihnen z. B. in der NGO Scientists for Future aktiv. Es bestehen über Ursachen und Gefährlichkeit des Klimawandels, der Umwelt- und Gesundheitskrisen sowie der damit zusammenhängenden Risiken keine grundlegenden Zweifel mehr. Der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Prof. Ralph Watzel präsentierte auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 im Buch „Deutschlands Neue Verantwortung“ im Kapitel IV „Neue Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen“ den Aufsatz Verantwortungsvolles Ressourcenmanagement als globale Aufgabe und stellte fest: „Nachhaltiges Management der Geo-Ressourcen Grundwasser und Rohstoffe sind Voraussetzung für eine sichere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage“. In einer im Januar 2021 erschienenen Metastudie aus ca. 150 einschlägigen Aufsätzen wurde resümiert, dass die globale Umweltsituation prekärer ist als bis dato angenommen; die Gründe hierfür sind Überbevölkerung, zu hoher Ressourcenverbrauch, politisches Versagen und nicht umgesetzte Verträge zum Schutz des Klimas und der Natur. Zwecks Minderung solcher Risiken befasste sich die Agenda des Weltwirtschaftsgipfels in Davos Ende Januar 2021 mit den Themen nachhaltige Wirtschaftssysteme, Verantwortung und industrielles Wachstum, verstärkte Verantwortung für die globale Allmende und Nutzbarmachung der Technologien der Industrialisierung 4.0. Laut Weltrisikobericht zählen Massenvernichtungswaffen, Klimawandel und Biodiversitätsverlust zu den größten aktuellen Gefahren. Im Bericht des Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services werden Klimawandel, Biodiversitätsverlust und die Sars Covid-19 Pandemie als sehr ernsthafte Krisen bezeichnet, die eine rasche, grundlegende systemweite Reorganisation notwendig machen. Generalsekretär A. Guterres forderte auf dem UN-Klimagipfel am 12.12.2020 eine sehr rasche Minderung der globalen Treibhausgasemissionen; der gleichen Meinung war der US-Klimabeauftragte J. Kerry auf der virtuellen Münchner Sicherheitskonferenz am 19.02.2021.

Nach dem in der Präambel gegebenen Selbstverständnis des Departement für Geo- und Umweltwissenschaften zählen die genannten Themen Klima, Umwelt und Rohstoffversorgung zu seinem Ressort. Das Geozentrum setzt sich aus den Fachdisziplinen Geologie, Mineralogie/Petrologie/Geochemie, Kristallographie, Geophysik, Tektonik und Materialwissenschaften, Geodäsie, Paläontologie und Geobiologie, Ressourcengeologie, Geotechnik und Hydrogeologie zusammen. Dies beinhaltet auch die Vermittlung der Grundlagen über die Wissenschaften der Lagerstättenbildung und Bergbautechnik, ohne deren Anwendungen die Industrialisierung nicht erfolgt wäre. Parallel dazu besteht die Wissenschaft der Paläoklimatologie, die Teil der Erdgeschichte ist und in der man die Verläufe vergangener Klimaänderungen und die Gründe dafür erforscht.

Die Biosphäre und höheres Leben darin können ohne geologisches Substrat nicht bestehen. Das zur physischen Versorgung der Menschen erforderliche Wirtschaften ist notgedrungen materialgebunden und bedingt deshalb Eingriffe in die Bio-, Hydro-, Pedo- und oberste Lithosphäre. Die Ökonomie kann ohne Input mineralischer Rohstoffe nicht wachsen (Pohl 2020: 482). Wegen dieses Bedarfs alimentierte, seit Beginn der Industrialisierung verstärkt, ein Teil der Geowissenschaftler - damals Bergbauassessoren, Grubenverwalter, Bergkommissionsräte, Bergmeister und Bergvogte, heute Montan-, Rohstoff- und Wirtschaftsgeologen - durch erweiterte Materialbereitstellungen das Wirtschaftssystem und trieb es - abgesehen von wenigen Krisenzeiten - wegen der systeminhärenten marktwirtschaftlichen Profit- und Wachstumsprinzipien fortlaufend weiter an. Die bei Materialbeschaffung und -verarbeitung frei in Gemeinschaftsgüter (e. g. Boden, Gewässer, Atmosphäre) abgeleiteten Schadstoffe bewirkten jedoch ab einer kritischen Menge Veränderungen im globalen Klimageschehen, in den Ökosystemen der Biosphäre und in der Umweltqualität. Fakt ist, dass unzählbar viele Rohstoffquellen geschaffen wurden, komplementär dazu aber viel zu wenige gefahrlose Senken für Schad- und Reststoffe, die bei Rohstoffverarbeitung und Produktherstellung entstanden. Sie sammelten sich als Gifte in den Sphären an, weil die Biokapazitäten der Natur nicht mehr ausreichten, sie zu absorbieren bzw. in gefahrlose Stoffe zu zersetzen.

Und ein anderer Teil der Geowissenschaftler - Paläoökologen, -klimatologen und Paläontologen - schritt seit Beginn des Zeitalters der Aufklärung (ca. 1750) anhand der Analysen von in Sedimentschichten eingeschriebenen Klimaarchiven im Verständnis immer weiter voran, welche natürlichen Einflüsse zu globalen Störungen im Klimageschehen der Vergangenheit führten und - sofern Reversibilität gegeben war - wie lange das Erdsystem brauchte, solche Störungen wieder auszugleichen. Diese Ergebnisse können auch auf das Verständnis der aktuellen Klimakrise und die Verbesserung von Klimaprognosen angewandt werden.

Die positiven Aspekte direkter und indirekter Folgen aus dem Wirken von Wirtschafts- und Montangeologen sind unbestritten und hochgeschätzt: Höhere Ernährungssicherheit und Verbesserung der Ernährungsqualität; Fortschritte in Medizintechnik und Pharmazie/-kologie; höhere Lebenserwartung; beständigere Materialien für Exo- und Endoprothesen, Batterien für Herzschrittmacher; stabileres Baumaterial; Fortschritte in der Mobilität; Qualitätsverbesserung bei der Telekommunikation sowie Volumensteigerung bei Datentransfer und Informationsflüssen; Fortschritte in der Bildung; Wohlstand in der westlichen Welt, Ersatz sehr schwerer, monotoner oder gefährlicher Arbeit durch Maschinen/Roboter; u. v. m.; niemand möchte diese echten Fortschritte missen und noch so leben wie vor 200 Jahren.

Es kann aber auch, wie vorher schon angedeutet, der hier zur Diskussion stehende Materialnachschub in das Wirtschaftssystem neben seinen unbestritten überwältigend positiven Wirkungen auch negative Seiten entwickeln, wenn er wirtschaftswachstumsbedingt ohne Rücksicht auf Anderes den steigenden Nachfragen angepasst wird: Das materiell eutrophierte und sich ausbreitende Wirtschaftssystem wurde für die begrenzten Kapazitäten einer finiten Biosphäre, in die es als Subsystem zwangsläufig eingebettet ist, eine zu große Belastung; „quantum facit velenum“ (Paracelsus). Ohne das m. E. meist vorbehaltlose Wirken dieses Teils der Geowissenschaftler in einem einseitigen, weil nur profit-, konkurrenz- und wachstumsgetriebenen Weltwirtschaftssystem mit steigendem Rohstoffbedarf gäbe es seit ca. 1950 die „Volle Welt“ (Daly 2005) mit all ihren positiven Entwicklungen, aber auch riskanten Zuständen und beeinträchtigten Teilen nicht. Letztere entsprechen einer kontrapunktisch zur „Vollen Welt“ entstandenen, leer gewordenen Schattenwelt: nutzungsbedingte Zurückdrängung von Naturland und Raubbau an Rohstoffen zwecks Ausbau und Instandhaltung der Techno- und Kapitalosphären bewirkten Fragmentation und Niedergang intakter Ökosysteme, riskante Transformation und unumkehrbaren Verlust originaler Bestandteile der Natur.

Trotz Fortschritten in Dematerialisierung und Recycling, wird Bergbau/Rohstoffproduktion ein Hauptteil des materiellen Kerns der Industrie und der Weltwirtschaft bleiben, mit dem sowohl essentielle Bedürfnisse als auch inzwischen weit darüber hinaus gehende Ansprüche und Begehrlichkeiten erfüllt werden. Die beiden Letzteren müssen sehr kritisch gesehen werden: wegen des teuren und umweltschädlichen Rohstoffkreislaufs, verstärkt angetrieben von der Schein-Notwendigkeit ihrer Erfüllung: Das Auffinden von Rohstoffen ist teuer, oft langwierig, erfordert Erfahrung und Expertenwissen; ihre Extraktion ist schwierig, trotz verbesserter Standards gefährlich, ungesund und hat schon viele Leben gekostet; es werden Landschaften und Lebensräume zerstört; Transport von Rohstoffen und ihre industrielle Veredelung / Verwertung ist aufwendig und wegen der bei den technisch-physikalisch-chemischen Produktherstellungsprozessen frei gesetzten Schadstoffe für die Umwelt belastend; ebenso die nach Gebrauch ausrangierten und auf Deponien „entsorgten“ Altprodukte. Bergbau kann niemals nachhaltig sein, auch wenn es dazu andere Meinungen gibt, die ich aber ablehne, weil Rohstoffe in geologischen Zeiten entstanden, der Mensch sie aber in wenigen Jahrhunderten verbraucht. Um so bedenklicher ist die Verschwendung großer Mengen wertvoller Rohstoffe für system-irrelevante Luxusgüter und -dienstleistungen und zur Deckung eines Pseudobedarfs wegen profitgetrieben, also unnötig verkürzter Produktzyklen; letztendlich steht später der hierfür schon verschwendete Teil der Primärstoffe bei tatsächlicher Notwendigkeit zwecks Erfüllung essentieller Bedürfnisse nicht mehr zur Verfügung. Spätestens seit 1970 übernutzt der Mensch die Erde. Der earth overshoot day rückt jedes Jahr im Kalender weiter nach vorn (1971: 24.12.; 2019: 29.07.); länderbezogen 2021: BRD: 05.05.; USA: 14.03. Derzeit sind gemittelt die Biokapazitäten von 1,6 Erden notwendig, um den Bedarf der Menschheit mit Material und Serviceleistungen zu versorgen; länderbezogen: USA: 5 Erden; BRD: 3 Erden. Der sozioökonomische Metabolismus bedarf in den Industriestaaten dringend der Reduktion. Prof. E. Ulrich von Weizsäcker fordert deshalb ein Zeitalter der Aufklärung 2.0, in dem nachhaltige Transformationen und Entscheidungen auf allen Ebenen zugunsten der Natur langfristig getroffen werden müssen. Seiner Meinung nach ist genügend neues Wissen vorhanden, um die dafür erforderlichen Veränderungen einzuleiten, weniger günstige Trends aufzuhalten und bestimmte Lebenseinstellungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen aufzugeben.

Weil in der Regel nicht Verbraucher, sondern Werbung und social engineering das Konsumverhalten auf breiter Fläche steuern und weil die Politik sich u. a. wegen gefährdeter Arbeitsplätze und wegen der Arbeitslosenzahlen im Würgegriff der Wirtschaft befindet, fordere ich mehr laute und kritische Stimmen der Vernunft aus der Primärindustrie und den geologischen Akademien, die aus Verantwortung heraus Produktionsmengenbegrenzungen und realistische Rohstoffbepreisungen fordern und sagen, dass Rohstoffe nur mehr für wesentliche Bedürfnisse bereitgestellt werden dürfen. Zumal Wirtschafts- und Rohstoffgeologen über die physikalischen, biologischen, zeitlichen, gesellschaftlichen und medizinischen Nah- und Fernwirkungen der Folgen ihrer Tätigkeiten am Beginn eines industriellen Wertschöpfungsvorganges unmittelbar und sehenden Auges konfrontiert sind oder sich darüber jederzeit ausführlich informieren können. Sie können direkt beobachten, welche Produkte aus den bereitgestellten Rohstoffen hergestellt werden und ob die dafür vorgesehenen Verwendungszwecke oder Anwendungen angemessen, wohlüberlegt, nachhaltig und sinnvoll sind. Aus Vernunftgründen prospektiert niemand auf Erdöl, damit 1) ein paar wenige Reiche sich auf Kreuzschiffsfahrten bespaßen lassen oder über das Wochenende nach New York jetten zwecks shopping und 2) es zu Schleuderpreisen pro Barrel verschwendet wird.

Fazit: Ich wage zu behaupten, dass seit Beginn der Industrialisierung ein Teil der Geowissenschaftler mittels Rohstoffexploration, -exploitation und -bereitstellung im übertragenen Sinn „zu viel Öl ins Feuer gießt“, gleichzeitig die problematischen Folgen seiner Tätigkeiten vor Augen hat und untätig bleibt, anstelle sich einzumischen. Erklärungen hierfür könnten sein, dass einige dieser Spezialisten nur an Profit und Wachstum denken, andere nicht oder nur selten über ihren Tellerrand hinausblicken und die Verbleibenden nur gehorsamst Befehle ausführen. Freilich ist möglich, dass es auch sensible und mutige Stimmen aus diesem Berufsfeld gab, die sich gegen das beunruhigende Anwachsen der Rohstoff-Förderung aussprachen. Und wenn dem so war, dann war ihr Einfluß zu gering. Erfreulich jedoch, dass inzwischen Organisationen wie der International Council of Mining and Metals gegründet wurden, die das Thema Verantwortung im Bergbau diskutieren und Standards in Montanindustrie und tailings-Technik setzen („ICMM’s Mining Principles define good practice environmental, social and governance requirements“); und dass Effizienzmaßnahmen eine Entkoppelung zwischen BIP und Rohstoff-/Primärenergieträger-Input bewirkten.

Beispiele: Ohne Materialnachschub, ermöglicht durch Anwendung geowissenschaftlichen Fachwissens, wären

- keine militärischen Aufrüstungen in den erfolgten Dimensionen bis hin zu Overkill und Kaltem Krieg erfolgt. Dazu waren Schwermetalle für Waffen und Batterien (Pb, Fe, Cu), Spreng- und Treibstoffe aller Art, Stahlveredler (W, V, Ni, Cr), strategische Metalle (Al, U, Pu, REE, etc.), weitere Grundstoffe für die Fahr- und Flugzeugproduktion (Glas, Asbest, Reifenmaterial, Plastik, etc.) und für die B-C-Waffen unerlässlich. Min. 145 Mio. Menschen sind seit dem Jahr 1800 durch Krieg ums Leben gekommen. Nicht gezählt sind die Invaliden und seelisch Traumatisierten. Die Schäden durch Kriegseinwirkung an Menschen und in der Natur sind unbezifferbar. 2020 zählte man ca. 500000 dauerhaft Versehrte, die Explosionen von Landminen überlebten, nachdem sie versehentlich in Teufelsgärten gerieten. Auf den Weltmeeresgründen rosten Hunderte versenkter Kriegsschiffe samt Dieseltanks und Munition mit hydrotoxischen Inhalten.

- nur geringe Ertragssteigerungen in der globalen Landwirtschaft verzeichnet worden. Erst durch Exploitation von e. g. Kalisalz- und Phosphatlagerstätten und aus diesen mineralischen Rohstoffen hergestellten Kunstdüngern, durch die Haber-Bosch Ammoniaksynthese sowie durch fallende Rohstoffpreise ließen sich die Ernte-Erträge vervielfachen, obwohl die globale landwirtschaftliche Fläche zwischen 1960-2006 nur um 11% vergrößert werden konnte, parallel dazu aber die Weltbevölkerungszahl sich auf 6,6 Mrd. verdoppelte. Wegen verbesserter Versorgungslage stiegen Weltbevölkerungszahl, Anzahl und Größe der Städte, Handelsvolumina und Nutztierbestände. Die Probleme aus dieser Art der Vermassung: Smog, Seuchen, Slums, Arbeiterelend, industrielle Landwirtschaft, Tierleid, Herausbildung ungesunder Lebensweisen und Ernährungsgewohnheiten, Verschwendung von Nahrungsmitteln und Kunstdünger, zuviel Antibiotika in der Tierhaltung und Entstehung gefährlicher Resistenzen gegen Krankheitskeime; Zerstörung von Naturland durch Schaffung landwirtschaftlicher Flächen, Biodiversitätsverlust, Grundwasserabsenkungen, -verschmutzung, -erwärmung, Beschädigung von Agrarland durch Übernutzung, verstärkte Bodenerosion, Gewässereutrophierung, Deoxygenation der Schelfareale, Versorgungsrisiken (e. g. Verknappung der Phosphatvorkommen), etc.. Für den nicht nachhaltigen Zustand der Überbevölkerung besteht keine - friedliche - technische Lösung. Wie sollen im Jahr 2050 ca. 10 Mrd. Personen ernährt werden?

- weder die Industrien für Petrochemie und Kohle noch im Gefolge die Stahlhochöfen, Zementwerke, Heizkraftwerke, Heiz- und Kühlvorrichtungen sowie Gasverbrennungsmotoren entstanden: Exploratoren lokalisieren zur Sicherung der Versorgung in Sedimentschichten Vorkommen von Stein- und Braunkohle, Teer, Erdöl und Erdgas. Bei der vorwiegend thermischen Verwertung dieser veredelten Stoffe für endotherme chemische Synthesen, für Antriebs- und Heiz-/Kühlzwecke sowie für Strom sind seit Beginn der Industrialisierung 2 Teratonnen CO2 aus fossilem Kohlenstoff im Allgemeingut Atmosphäre entsorgt worden; die Folgen: Treibhausgasbedingte Erwärmung der Erdatmosphäre, gefolgt von Erwärmung und Versauerung der Hydrosphäre, Degradation und Labilisierung der Cryosphäre, Meeresspiegelanstieg, Anpassungsdruck auf Pflanze, Tier und Mensch, Veränderungen atmosphärischer und ozeanischer Zirkulations- und Konvektionssysteme, etc..

- die globalen Bautätigkeiten nicht erfolgt. Exploration und Abbau von Steine-Erden, Karbonat- und Silikatgestein lieferten Materialien für Häuserbau, für Fundamente von Straßen, Autobahnen, Gleisen, Bahnhöfen, Flughäfen, etc.. Die Masse der bis dato geschaffenen Technosphäre wird auf 30,11 TeraT geschätzt. Die Nebenwirkungen solcher Baumaßnahmen bestehen u. a. in Versiegelungseffekten, auflastbedingter Subsidenz, irreversibler Bodenkompaktion wegen Permeabilitätsreduktion, verstärkter Bodenerosion wegen geminderter Infiltration von Regen- und Schneeschmelzwässern, Grundwasserabsenkung, Biotopzerstörung und -zerschneidung, Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen oder von Naturland durch Überbauen; Verlust von Natur-, Siedlungs- und Ackerland oberhalb Flussdammbauten; verstärkter Erosion unterhalb Flussdämmen wegen zurückgehaltenen Geschiebes. Verstärkte Erosion an Flussläufen und Meeresküsten nach Sedimententnahme.

- die Verdrahtung, Vernetzung und Technisierung der Welt zwecks schnellerer und bequemerer Kommunikation und Mobilität nicht erfolgt: Die Ende des 19. Jhds. beginnende globale Elektrifizierung konnte nur unter Bereitstellung großer Mengen an Metallen (e. g. Kupfer, Eisen, Zink, Blei, Zinn) vollzogen werden. Die Ansprüche an den Bergbau stiegen noch weiter, als ab ca. 1970 ein wachsender Bedarf hinsichtlich Metalldiversität wegen Elektronik und digitaler Technik gestellt wurde: Computer, Röhrenbildschirme, Handies, smartphones, Flachbildschirme, Leuchtdioden, Solarpaneele, Elektromotoren und Windkrafträder erforderten wachsende Mengen diverser high-tech Metalle: In (Displays), Ga (LEDs), Nd und Dy (Permanentmagnete und Laser), Ge (Glasfaserkabel), Pt (Brennstoffzellen und Katalyse), Ta (Mikrokondensatoren), Gd (Medizintechnik), Li und Co (Batterietechnik). Fraglich ist, ob diese nicht massenhaft, z. T. nur in geringen Mengen vorhandenen und des öfteren auf wenige Länder beschränkten Rohstoffe für die Metalle auf Dauer in ausreichenden Mengen verfügbar und ob bei absehbarer Erschöpfung der Vorkommen sie substituierbar sind. Li-Minerale, die u. a. auch in ökologisch sensiblen Regionen (Solen aus Salzseen in ariden Hochgebirgsebenen: e. g. Salar de Atacama, Chile) abgebaut werden, sind in ihrer Verfügbarkeit kritisch; Co-, Nb- und Ta-Minerale sind Konfliktrohstoffe, weil beim Abbau in den Herkunftsländern oft soziale, arbeitsrechtliche und gesundheitliche Standards missachtet und Verkaufserlöse zur Finanzierung von Kriegen verwendet werden.

Platin-Katalysatoren sind zum Cracken von Erdöl erforderlich. Pt ist ein sehr seltenes Spurenmetall der Lithosphäre: 1 T Anorthosit-Gestein enthält ca. 10g Pt-Minerale, zu deren Extraktion das Wirtsgesteins vorher feingemahlen werden muss. Die Herstellung weniger Gramm Platin bedingt somit das Hinzukommen einer weiteren Tonne Anorthosit-Schlamm in einer industriellen Absetzanlage (tailing) und noch mehr CO2 in die Atmosphäre.

Es bestehen Zweifel, ob der globale Ersatz fossiler Energieträger für Strom und Wärme (11,1 TW) durch Wind- und Solarenergie finanzierbar ist und innerhalb des bestehenden Zeitfensters vollzogen werden kann. Der langfristige globale Ersatz fossiler Energieträger durch Biotreibstoffe ist unrealistisch.

High-tech Metalle werden des weiteren in großem Maßstab benötigt als Elektroden für die Wasserelektrolyse zur Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff, der als weniger schädlicher Grundlast-Energieträger nach der geplanten Mobilitäts- und Energiewende favorisiert wird. Eine weitere drängende Frage ist, ob genügend erzhaltiges Gestein lokalisierbar sein wird, damit daraus ausreichende Metallmengen für die Substitution der global vorhandenen 1,8 Mrd. Fahrzeuge und vielen weiteren Maschinen mit Gasverbrennungsmotoren erzeugt werden können, um die Elektrowende zu realisieren.

Wegen der soeben ausgeführten, m. E. eminenten, d. h. grundlegenden und zentralen Bedeutung vielfältiger, direkter und indirekter Anwendungsfolgen geowissenschaftlicher und geotechnischer Forschungserkenntnisse für Gesellschaft und Natur/Umwelt könnte wegen Verantwortungsethik ein weiterer Punkt im Cluster der Fachdisziplinen der Geowissenschaften eingerichtet werden, in dem diese notwendigkeits-, wirtschaftswachstums- und profitgetriebenen Anwendungsfolgen analysiert, diskutiert und bewertet werden: nämlich die ergänzende Fachdisziplin

Geowissenschaften, Ethik und Verantwortung.

Was in der Präambel des Departement formuliert ist und weil in ihr Verantwortung schon indirekt angesprochen ist, könnte sie die kurzgefasste gedankliche Grundlage dieser neuen Fachdisziplin werden. Hier könnten sich Studenten über die ganzheitlichen Wirkungen ihrer zukünftigen beruflichen Tätigkeiten informieren. Alternativ zu prüfen wäre, ob diese Themen auch in den bereits vorhandenen Universitäts-Einrichtungen für Ethik bzw. im Kompetenzzentrum Ethik bearbeitet werden könnten; wohl nicht, weil sie mit anderer Ethik-Themenvielfalt überlastet sind; deshalb wurde schon ein eigener Lehrstuhl für medizinische Ethik innerhalb dieser Fakultät geschaffen.

Das Thema Ethik ist in den Geowissenschaften m. E. mindestens ebenso bedeutend wie in Physik, Chemie, Biologie, etc., weil durch die

- Bereitstellung und vorwiegend dissipative Verarbeitung Nutzung und Entsorgung immer größerer Rohstoffmengen und daraus hergestellter Produkte ein seit dem Ende der letzten Eiszeit relativ stabiles Klima signifikant gestört wurde und große Bereiche der Biosphäre teils langfristig, teils endgültig verändert sowie somit unkalkulierbare zusätzliche Daseinsrisiken erzeugt wurden;

- Anwendung geowissenschaftlichen Fachwissens auch Rohstoffe für immer mehr Waffen und Kampfstoffe prospektiert und gefördert wurden sowie Rohstoffe für Produkte, die bereits als Gefahrstoffe identifiziert sind.

Nur ein Geowissenschaftler ist in den Gremien der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (Verantwortung in der Wissenschaft & Wissenschaftsentwicklung) gewählt und nur zwei von 42 Mitgliedern im Club of Rome Deutschland sind Geowissenschaftler. Ich halte das für unterbesetzt, weil die hier beschriebenen Folgen der Anwendungen geologischen und geotechnischen Wissens für Natur und Gesellschaft und die klar erkennbar wachsende Rohstoffabhängigkeit der Ökonomie von essentieller Bedeutung geworden sind: die Anwendung geowissenschaftlichen Fachwissens steht zentral am Anfang fast aller Produkt- und Wertschöpfungsketten; die Rohstofflieferungen im Jahr 2015 ergaben einen Materialumsatz von 316 GT. Prof. Friedrich Schmidt-Bleek sprach deshalb vom Problem der Rohstoffintensität der Weltwirtschaft, bezeichnete diese Abhängigkeit als ihre Achillesferse und empfahl wegen des viel zu hohen materiellen Fußabdrucks dringend eine Ressourcenwende bzw. Dematerialisierung, bei der nach seiner Meinung ein Faktor 10 erreichbar sei.

Spätestens seitdem das menschliche Maß der Arbeit (max. Jahresleistung: 100 kWh/a) mit Erfindung der Dampfmaschine technisch überwunden worden ist, haben maschinengestützte Auswirkungen menschlichen Handelns wegen weiter gegangener Entwicklungen und steigendem Rohstoffverbrauch inzwischen an Größe, Intensität, Breiten-, Tiefen- und Langzeitwirkung solche Ausmaße erreicht, dass sie nicht mehr nur lokal und unmittelbar, sondern global wirken und auch die Zukunft betreffen. Kommende Generationen sind dann z. B. zuständig für die Reinigung der Meere von Plastikteilen und für Bau, Befüllung und Langzeit-Monitoring der Endlager für radioaktive Reststoffe, für deren Entstehung sie aber nicht verantwortlich sind. Dazu müssen sie für die permanente Bereitstellung von Mitteln, Energien und Fachkräften für Instandhaltungen und Reparaturen in der inzwischen überwältigend umfangreich gewordenen Technosphäre sorgen. Sollten durch die Handlungsfolgen auch Kipp-Punkte des Erdsystems überschritten werden, reichen die Wirkungen bis in die ferne Zukunft. Das ist Unrecht, weil so Freiheitsgrade und Lebensqualität der Nachkommen beschränkt werden. Eine bessere Welt zu hinterlassen blieb bislang Absichtserklärung.

Wirtschafts- und Montangeologen schufen die materiellen Voraussetzungen für höhere Lebenserwartung, Wohlstand und Luxus in der westlichen Welt, aber auch für Potentiale mit Wirkungen und Nebenwirkungen, von denen zumindest einige inzwischen als bedenklich und gefährlich identifiziert wurden. Die Einrichtung der Internat. Assoc. for Promoting Geoethics im Jahr 2012 war deshalb eine vernünftige Entscheidung. Die Gesellschaft befasst sich mit Philosophie und Ideengeschichte in den Geowissenschaften, Forschungsintegrität, Folgen des Klimawandels, ethischen Aspekten in Georisiken und der Risikominderung bei Katastrophen, Verantwortung im Management von Georessourcen, ethischen und sozialen Aspekte bei Erziehung und Kommunikation in Geowissenschaften, Geoethik in Wirtschaftsgeologie, Paläontologie und medizinischer Geologie, soziologischen Aspekten an der Schnittstelle Geowissenschaften-Gesellschaft-Politik, geoethischen Implikationen bei Änderungen sozio-ökologischer Systeme, Ethik im Klima-Engineering, ethischen Belangen betreffend Klimawandel und Ozeanographie, etc.. Arbeitsgruppen darin behandeln die Themen Verantwortung im Bergbau, Geoethik in der forensischen Geologie sowie den Erhalt von Geotopen. Es irritiert, dass die BRD, klassisches Europäisches Bergbauland mit über 2800 Jahre gehender Bergbauentwicklungsgeschichte, weder in den nationalen Sektionen dieser Gesellschaft noch in denen der Int. Assoc. for Geoethics Mitglied ist.

Es weist deshalb in die richtige Richtung, wenn die Deutsche Geologische Gesellschaft - Geologische Vereinigung beim Thema Verantwortung eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zitiert, die Initiativen für verantwortungsvollen Bergbau vergleicht und verantwortungsvolle Rohstofflieferketten einschließlich Rekultivierungsmaßnahmen im indonesischen Zinnbergbau fordert. Und in der Satzung des Bundesverband Deutscher Geologen (BDG) heißt es wörtlich, dass der „Zweck des Verbandes der sinnvolle Einsatz geowissenschaftlichen Wissens und Schaffens in Verantwortung für die Allgemeinheit ist“; der BDG richtete Arbeitskreise ein betreffend Unweltgeologie und Georisiken; außerdem bestehen die Forengruppen „Rohstoffe bei S4F“ sowie „Internationale Zusammenarbeit und Geoethik“. Bei der Deutschen Rohstoff Agentur sind Themen mit Bezug auf Verantwortung gelistet: u. a. Ressourceneffizienz, Recycling von Metallen in smartphones, Transparenz und Nachhaltigkeit in den Lieferketten mineralischer Rohstoffe, etc.

Tatsache ist, dass unter dem Dach der Geowissenschaften Fachdisziplinen bestehen, von denen ein Teil die Folgen aus dem angewandten Wissen des anderen Teils anhand der Analyse vergleichbarer klimawirksamer erdgeschichtlicher Ereignisse erklärt. Bei diesem Sachverhalt wäre es gewiss weiterführend, wenn sich Vertreter der Fachdisziplinen Montan- und Wirtschaftsgeologie, Paläoklimatologie, Paläoökologie, Umweltgeologie und Geoethik an einen Tisch setzen und dialogisieren würden. Aber möglicherweise ist das bereits ausgeführt worden.

Beispiele (in Stichworten) für Anwendungsfolgen geowissenschaftlich-geotechnischen Wissens, die in der hier vorgeschlagenen Fachdisziplin recherchiert, diskutiert und bewertet werden könnten:

Substitution physischer Arbeit durch Lebewesen: Die Folgen der Vernachlässigbarmachung / Marginalisierung / Verzwergung des menschlichen Maßes für Arbeit (Jahresleistung max. 100 kWh/a ÷ € 32.-) in der Weltwirtschaft. Ersatz von Tier- und Menschenarbeit durch Maschinenarbeit: Dampfmaschine, Gasverbrennungsmotor, Kernspaltung, Fusion, „grüne Energien“. Bei derzeitigem Weltjahresenergieumsatz für Wärme, Strom und Mobilität arbeiten gemittelt virtuell ca. 220 Sklaven/Person. Länderbezogen: USA: 790; BRD: 440. Das ist ein sehr riskanter und kein sinnvoller Zustand, der nicht nachhaltig sein kann. Der Preis für 1 kWh aus fossilen Energieträgern in Industrieländern ist viel zu niedrig.

Bergbauschäden: Die Folgen des Bergbaus für Leben und Landschaften. Green mining? Zwangsumsiedlungen, Menschenrechte, Biodiversitätsverlust, Gesundheit, Bergbaufolgelandschaften, Subsidenz, saure und giftige Grubenwässer, Ewigkeitslasten (z. B. Ruhrgebiet), Grundwasserdegradation, Tailings (e. g.: Sanierungsbetrieb Wismut GmbH), induzierte Seismik, etc.

Ökobilanzen und Schadstoffe: Materielle und energetische Bilanzierung von Stoffkreisläufen und die Auswirkungen auf die Natur. Beispiele: Extraktion seltener Schwerminerale (e. g. enthaltend U, Au, Pt, Ir, REE, Diamant): wenige Gramm pro Tonne Wirtsgestein. Höchste Materialintensität. Bei Rohstoffextraktion und Verarbeitung entstehende Schad- und Reststoffe und die technischen Möglichkeiten zu ihrer Abtrennung, ihrer gefahrlosen Speicherung/Deponierung, ihre Nutzung als Sekundärrohstoffe (e. g. CO2) nach chemischer Umsetzung in gefahrlose, evtl. wiederverwendbare Stoffe oder durch Extraktion (e. g. Phosphat).

Umweltschäden bei Produktion, Verbrauch und Unfällen: Beeinträchtigung der Sphären der Erde durch a) Extraktion und Verarbeitung von Rohstoffen in industriellem Maßstab; b) durch rohstoffverbrauchende Anwendung industriell hergestellter Massenprodukte; c) durch die Entsorgung von Reststoffen und Altprodukten. Einteilung und Themenvorschläge siehe Buch 250 years of industrial.. oder A. Goudie. Innovationen in Technik für zero emissions (Bill Gates): preiswerte grüne Energien, v. a. für die Entwicklung armer Länder.

Geschichte der Bergbau-, Industrie- und Deponieunfälle: Materielle Schäden; Personenschäden. Kopplung einiger dieser Ereignisse an Rohstoffpreiszyklen?

Quellen und Senken: Schaffung vieler Rohstoff- und Schadstoffquellen, aber nur weniger gefahrloser Reststoffsenken. Mögliche Gründe: Profitdenken, Konkurrenz, ökologischer Analphabetismus, Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit, fehlende Interdisziplinarität, Indifferenz. Die Folgen dieses Ungleichgewichts für die Umweltqualität: Treibhausgase, Erwärmung der Atmosphäre und folglich Ausdünnung der Ozonschicht wegen Entstehung von katalytisch aktivem ClO in der Stratosphäre, Meerwasserversauerung, Eutrophierung, Vergiftung der Sphären, Deoxygenation von Gewässern, Degradation der Cryosphäre, Meeresspiegelanstieg, Grundwassererwärmung, Kaltkondensation schädlicher gasförmiger Luftbestandteile in hohen Breitengraden wegen der globalen atmosphärischen Destillation und Niederschlag giftiger Aerosole.

Vermassung: Der Weg in die Vermassung. Deregulierte Wirtschaft. Die Tragik der Allmende. Die Entstehung von Risikogesellschaften: Überbevölkerung, Megacities, Versorgungssicherheit (Strom, Wärme, Nahrung, Wasser, Information), Importabhängigkeit, Freigabe riskanter Siedlungsstandorte durch Behörden; Smog, Slums, Lärm, Wärmeinseln, Wasserqualität, Seuchen. Kosten des Küstenschutzes wegen des Meeresspiegelanstiegs. Subventioniertes Bevölkerungswachstum. Unbegrenztes Wirtschafts- und Wohlstandswachstum samt Luxus sind in Konflikt mit den Begrenztheiten der Rohstoffe und der finiten Biosphäre. Positive Aspekte der Vermassung? Wie können die Risiken reduziert werden? Woher nahm der Mensch das Recht, sich rücksichtslos in der Natur auszubreiten und sie zu zerstören/beschädigen/verdrängen?

Drittweltstaaten: Wie können die Milliarden Menschen dieser Staaten am technischen und medizinischen Fortschritt sowie am Wohlstand teilhaben, ohne dass noch mehr Schäden in der Umwelt entstehen?

Industrie: wirtschaftlich instabile Monocities (z. B.: Asbestos, Kanada), Bergbau und Massenproduktion; Folgen der Arbeitsteilung, Entfremdung, Verantwortungsdissipation; Vermassung und der Verlust an Ästhetik.

Nutzung natürlicher fossiler Gräber: Das massenhafte Verbrennen/Nutzen organischer Relikte (e. g. Kohle, Erdöl, Erdgas, Bitumen) vergangenen Lebens (fossile „Massengräber“) und mögliche psychologisch-moralische Folgen für die Nutzer: latente Schuld- und Schamgefühle wegen industriell betriebener „Grabräuberei“, Verrohung, Respektdefizite vor anderen Lebensformen und der Totenruhe, Minderung des Selbstwertgefühls. Frevel.

Deponien und Altlasten: Ursachen, Geschichte, Arten und Deponietechniken. Die Geschichte des Mülls. Verstärkte Abbautätigkeit in Lagerstätten mit geringen Erzgehalten. Biokapazität und materieller Fußabdruck. Die Folgen für die Umweltqualität. Ist zero waste möglich?

Kosten und Produktpreise in Bergbau, Industrie und Wirtschaft: Wirkungen des Rohstoffpreisverfalls und des Preisdumpings. Folgen der Externalisierung der Kosten der durch Bergbau und industrielle Fertigung entstandenen Schäden. Problem der realistischen Bezifferung der Schäden. Internalisierung aller Kosten der Schäden durch Bergbau, durch Produktherstellung, durch Produktanwendung und „Entsorgung“. Bepreisung von Naturlandschaften.

Umweltbelastende Jobs in der Montanindustrie. Bsp.: Es darf nicht sein, dass ein Arbeitnehmer z. B. durch sein Wirken die Entstehung vieler 1000 T tailings in Kauf nimmt. Möglichkeiten der Transformation.

Unruhe der Zeit: Paul Virilio's Dromologie: die mit der Industrialisierung einhergegangene Schnellebigkeit der Zeit, gekennzeichnet durch Multitasking, schnelle elektronische Kommunikation, Arbeitsverdichtung, dauernde Verfügbarkeit, etc. ist nicht konform mit den Lebensrhythmen vieler Menschen. Zeit zur Bewältigung von Information und Arbeit, zur Findung von Entscheidungen sowie zum Problemlösen ist oft zu kurz bemessen, wodurch sich Defizit-, Fehler- und Qualitätsrisiken wegen Überforderung erhöhen. Gesundheitliche Folgen: Nervosität, Stress, Neurasthenie, Angst, Depression, Sucht, Burnout, Eskapismus, geminderte Lebensqualität. Anthropozän; The Great Acceleration. Möglichkeiten der Entschleunigung? Zudem geriet man in die Sackgasse anwachsender Komplexität: Gründe hierfür und Möglichkeiten ihrer Reduzierung.

Förderung von Interdisziplinarität und ganzheitlichem Denken: e. g. Erkennen, dass das eigene Verhalten auch anderswo Auswirkungen hat; die Grenzen jeder Art von Freiheit in einer „Überfüllten Welt“.

Zukünftige Exploration und Exploitation: Was und wieviel davon darf noch gesucht und gefördert werden, um das 1,5°C Ziel bis zum Jahr 2100 einzuhalten? Minimierung der Umweltschäden. Meeresbergbau. Bsp.: Gashydrate, Manganknollen. Bergbau im All.

Epilog:

Albert Einstein unterzeichnete wenige Tage vor seinem Lebensende (18.04.1955) das anfangs genannte Manifest zur Bannung der Atomwaffen. Die doomsday-clock stand in jenem Jahr, in dem bereits 3257 Atomwaffen vorhanden waren und 20 davon - unter ihnen die ersten Thermonuklearbomben - getestet wurden, auf ca. 2,5 Minuten vor Null Uhr. Einstein konnte in seiner verbleibenden Zeit keine Gewissheit mehr erlangen, in welche Richtung sich die Situation weiterentwickeln würde. Die durch seinen Einfluss nicht mehr beendbare Gefahr der Selbstzerstörung der Menschheit und die Unsicherheit, ob das nach seiner Zeit geschehen wird oder nicht, muss ihm in seinen letzten Tagen größte Sorgen bereitet haben. So konnte er, der sich mit ganzer Kraft für Frieden und gegen Unrecht einsetzte, nicht mehr in Frieden sterben. Er war in diesen Konflikt involviert, weil er die physikalischen Grundlagen für die Beziehung zwischen Materie und Energie erforscht hatte und er zusammen mit Leon Szilard die USA vor der Möglichkeit einer Atombombe Hitlerdeutschlands warnte, was das Manhattan Projekt nach sich zog. Die Bombardierung der beiden Japanischen Städte und das nachfolgend eskalierende atomare Wettrüsten zwischen USA und UDSSR geschahen freilich gegen seinen Willen und basierten auf einem Massenmissbrauch seiner Erkenntnis E = mc² und der Erkenntnis der Forschergruppe Meitner/Hahn/Straßmann über die Spaltbarkeit des Uran-Atomkerns. W. Heisenberg meinte dazu, dass eine Idee nicht verantwortlich dafür ist, wie und wofür andere sie verwenden.
Und heutzutage sehen sich viele ältere Wissenschaftler, die sich engagiert für eine bessere Umwelt und den Frieden eingesetzt haben, vor einem ähnlichen Problem wie damals Einstein, nur dass dieses sich um einiges größer und komplexer darstellt. Wegen der seit 1945 nicht beendbaren politischen Konflikte und den von nur wenigen Entspannungsphasen unterbrochenen militärischen Aufrüstungen, ermöglicht durch Rohstofflieferungen und Fertigungen in militärisch-industriellen Komplexen, sind inzwischen wesentlich mehr Atomwaffen in viel wirkungsvolleren technischen Ausstattungen erstellt worden; trotz atomarer Abrüstung seit
1986 (damals bestanden 64099 Sprengköpfe) sind derzeit von den 13400 Atomsprengköpfen ca. 4000 in sofortiger Einsatzbereitschaft. Die Anzahl der Atommächte hat sich seit 1955 von drei auf neun erhöht. Russland entwickelte soeben das Avangard-System, mit dem ein durch Raketenabwehrsysteme nicht zerstörbarer Träger - tieffliegend und mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit - den Sprengkopf ins Ziel lenkt. Die USA modernisieren derzeit ihr Atomwaffenarsenal mit 100 Mrd. USD. Die Gefahr eines Atomkriegs konnte mangels Friedfertigkeit nicht beendet werden. Dazu gesellen sich weitere Risiken wegen des Vorhandenseins der B- und C-Waffenarsenale (e. g.: Diphosgen, Agent Orange, Sarin, Nowitschok); gain-of-function Experimente werden beständig weitergeführt. Außerdem bestehen neue, große und latente Gefahren wegen Naturzerstörung, Biodiversitätsverlust, Klimawandel, Seuchen, Entstehung unbekannter Emergenzen, Versorgungsengpässen wegen Überbevölkerung, extremwetterbedingten Schadenereignissen, disruptiven Technologien sowie Überschreitung von Kipp-Punkten im Erdsystem. Ein Endpunkt bei der Verbesserung allgemeinener Gesundheitsqualität wird dann erreicht sein, wenn gesundheitliche Schäden durch Umweltkrisen die gesundheitlichen Gewinne durch medizinisches Wissen und Medizintechnik zu überwiegen beginnen. Dazu die bedenklichen Entwicklungen und Zustände in den beiden ineinander bestehenden und miteinander wechselwirkenden Welten - der „Vollen Welt“ und der leer gewordenen Schattenwelt - , die wegen dramatischer Ungerechtigkeiten, scharfer Widersprüche, extremer Zerrissenheiten, tiefgreifender Spaltungen und krasser Antagonismen als chaotisch und grenzwertig kontrollierbar bezeichnet werden müssen. Auch hier im Falle nur negativer Fakten gilt, dass das Ganze immer mehr ist als nur die Summe seiner Teile.

Deshalb beließ ein Sachverständigenrat am 27.01.2021 den Minutenzeiger der doomsday-clock in seiner am 23.01.2020 justierten Position, als sie um 20 Sekunden auf 100 Sekunden vor Null Uhr vorgestellt wurde. Gefahr - wegen mangelnder Friedfertigkeit, der viel zu hohen Anzahl an Individuen und ihrer Bedürfnisse sowie der weitergehenden Verschlechterung der Lebensgrundlagen - und daraus resultierende Verantwortung sind seitdem unverändert größer denn je.

Diese Gefahren und Risiken entstanden v. a. deshalb, weil ethisch-moralische Entwicklung nicht adäquat zum technisch-wissenschaftlichen Fortschritt mithielt; weil die Lücke zwischen evidenzbasierten Erkenntnissen und ihren Umsetzungen immer größer wurde; weil Maschinenarbeit eskalierte und weil ein Wirtschaftssystem, das nur Wachstum, Profit, Verschwendung, Streben nach Komfort, Luxus und teilweise grotesk überzogenen Freiheiten, mehr Geschwindigkeit und Abhängigkeiten kennt, mit immer mehr Rohstoffen beliefert wurde (Geology of mankind).

Ich meine eine sich verstärkende Tendenz zu erkennen, dass ein signifikanter Teil mineralischer Rohstoffe von der Weltwirtschaft ausgebeutet und für dubiose Zwecke massenmißbraucht wird. Es ist an der Zeit, dass die Geowissenschaftler ihrer großen und ureigenen Verantwortung nachkommen, indem sie diese edlen und wertvollen Stoffe - die Bodenschätze - vor Missbrauch und damit auch Mensch und Biosphäre vor weiteren Beeinträchtigungen besser schützen; kurzum: es geht um ihre Berufsehre.

Hubert Engelbrecht

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