weg vom

Jenseits von Trauer, Angst und Ungewissheit:
Rückantwort, Kommentar und später Schlußstrich
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Leviten-Lesung in einem Offenen Brief

Musikalische Begleitung: "Rape me". Kurt Cobain, 1991, Nirvana

Ich habe Ihre schriftliche Antwort erhalten und melde mich erst jetzt, Jahre später, da ich lange nachdenke und vieles verwerfe, bis ich meine, ein Satz sei inhaltlich richtig und ich könne ihn schreiben. Inzwischen war sehr viel andere, vorrangige Terminarbeit zu erledigen. Ausserdem besteht nach gut 40 Jahren fast permanenter Sendepause keinerlei Grund mehr zur Eile.

Prinzipiell war und ist für mich alles, was mit Lebensfragen zu tun hat und zwischenmenschliche Beziehungen betrifft, besonders wichtig. All dies nehme ich sehr genau. Deshalb folgt hier meine ausführliche Entgegnung - bestehend aus Anmerkungen, Kritik und Ergänzungen - zu Ihrem Schreiben auf meine Initiative, die alte Blockaden überwinden und Vorurteile ausräumen wollte sowie einen Neubeginn vorschlug. Weiter unten kommentiere ich dann auch das Verhalten der Gruppe, in der wir uns damals befanden. Ich zeige hier, wie grausam manipulierte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Schwächeren sein können und welch immense Schäden durch Langzeit-Mobbing entstehen. Zudem geht es um die verheerenden Folgen von
- problematischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend,
- Unterwerfungszwang sowie seelischer Gewalt im Alltag,
- rücksichtslosem Konkurrenz- und Karrieredenken,
- Gleichgültigkeit und Sturheit,
- antidemokratischen Strukturen in Gruppen sowie
- Wirklichkeitsverweigerung.
Das nun folgende ist tatsächlich geschehen und keine selbstmitleidvolle Übertreibung bzw.
Selbstviktimisierung und schon gar keine Nachtragerei; dafür waren die Ereignisse zu elementar.
Einige der folgenden Passagen enthalten provokante Vorwürfe und deutliche Meinungen. Das ist auch so beabsichtigt; alles ist gut begründet. Ich stehe dazu und sehe mein Schreiben nicht nur als persönliche Anklage gegen ungesühnte Ungerechtigkeiten, sondern auch als notwendige Reaktionen auf drängende gesellschaftliche Mißstände: Massengräber toter Tage, toter Jahre und Jahrzehnte, toter Leben, ermordeter Chancen, absichtsvoll verhinderter positiver Entwicklungen. Der Text entstand auch deshalb, weil ich den erhaltenen Druck nicht an Schwächeren abreagieren wollte, sondern ihn in schriftlicher Form an die Verursacher zurückreichte und damit die Kette der Weitergabe verwerflicher Gewalt beendete.
Keine Unterwerfung und keine Kapitulation vor willkürlicher und überzogener Macht. Die Wahrheit über geschehenen Mißbrauch und geschehene Mißhandlung muß öffentlich geäussert werden, anstatt sie mit ins Grab zu nehmen. Jeder Missetäter muß wissen, dass er nicht davonkommen wird. Solche Geschehnisse sind eines Schutzmantels der Privatheit unwürdig und müssen an den Pranger. Öffentliches Schreiben/Mitteilen bedeutet hier sich wehren.

Ganz klar meinte ich unter Voraussetzung pluralistischer Lebensauffassung in meinem vorangegangenen Brief: nur durch offenen und ehrlichen Dialog können Pauschalurteile differenziert und alteingefahrene, falsche Verhaltensweisen korrigiert werden. Nur in einem konstruktiven und fairen Miteinander, nicht in einem wortlos-stur-kalten Nebeneinander ad exitum kann man auf Dauer zusammen glücklich sein und bestehen. Mich erstaunt das von Ihnen mir servierte "Du", obwohl Ihrer Meinung nach damals in der Zufallsgemeinschaft, in die wir eingereiht waren, wir "nur wenig miteinander zu tun hatten", wie Sie mir schrieben. Es ist richtig, dass wir all die langen Jahre bis zur Entlassung fast nie miteinander sprachen sowie getrennte Freundeskreise und Interessensgebiete hatten. Und es ist wahr, dass dies jahrzehntelang sich bis heute fortsetzte. Die Anredeformel "Du" ist also in diesem Falle inkorrekt und unpassend von Ihnen gewählt; so bestehe ich deshalb nachdrücklich auf der Anredeformel "Sie". Es wird zwischen den weiteren Zeilen Ihres Schreibens leider auch angedeutet, dass unsere Leben damals fast nichts miteinander zu tun hatten. Ihre Behauptung halte ich aber nur für vordergründig richtig; und diese entscheidende Einschränkung will ich hier erklären:
Neben den äusseren gab es in dieser Zufallsgemeinschaft auch innere, verdeckte Beziehungen: auch wenn Einzelne in dieser Gruppe junger Menschen mit einigen nie oder nur ganz selten sprachen, so nahmen erstere doch wahr, wie letztere sich äußerten und wie sie handelten. Es ist leicht nachvollziehbar, dass sich so von jeder Person zu allen anderen der Gruppe gedanklich ein Netz direkter und indirekter Beziehungen entwickelte. Jede Person registrierte die Verhaltensweisen aller anderen; in einigen Fällen wurden diese wohl auch gewertet oder mit dem eigenen Verhalten verglichen. Für mich gilt, und das auch mit einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahrzehnten, dass damals keine Person aus dieser Gruppe in meinem Leben geistig keine Rolle gespielt hat: niemand war mir damals in der Gruppe egal. Fast immer taten mir die, die schlechte Noten bekamen oder durchfielen, leid; gleichzeitig fühlte ich mich erleichtert - was mir aber auch ein schlechtes Gewissen bereitete - , dass ich nicht in der gleichen Lage war. Auch wenn ich mit einigen der Gemeinschaft fast nie sprach, so war ich ganz gewiss allen gedanklich verbunden: viele haben mich mit ihren individuellen Charakteren beeindruckt und erfreut, aber einige leider auch geärgert; wie z. B. wenn jemand bei seinem/ihrem "Einser" rücksichtslos triumphierend jubelte und die Arme hochriss; oder wenn jemand sich schon wieder eifernd meldete und mit den Fingern schnippte, nur um Vorteile zu sammeln und sich ranzuschranzen - wie eklig das für mich war. Freilich gab es auch lustige Momente: Erdkunde: Lehrkraft: "Wo liegt der Brenner?" Schüler: "Wo brennt's?" Schallendes Gelächter. Lehrkraft zornig: "Verweis!" Deutsch: Lehrkraft: "findet Wortbeispiele, die das Adjektiv 'grün' eingehender beschreiben." Einige nennen hellgrün, blaugrün, dunkelgrün, grasgrün, türkis, gelbgrün, etc.. Dann rief die Lehrkraft schließlich den Schüler W. auf, weil dieser sich sehr eifrig gemeldet hatte. Auf seinen Wortbeitrag "suppengrün!" folgten langanhaltende und laute verbale Bekundungen allgemeiner Heiterkeit. Und aus dem rot angelaufenen Rundgesicht der Lehrkraft schallte es wütend: "Vaweis!" Es liegt wohl in meiner eigenen - reflektierten - Irrationalität begründet, dass ich an mehrere damalige Begebenheiten noch heute gerne denke - und das trotz der Verhältnisse und Entwicklungen, die ich in den folgenden Absätzen bedenkenlos ausführe. Vorab aber noch eine lustige Begebenheit, die sich aber nur in meinen Gedanken abspielte, weil ich mich damals wieder mal nicht zu fragen traute, was denn an dem Satzteil "...ein weißer Schimmel..." überflüssig/redundant sein soll, weil es doch auch gelben, grünen, orangefarbenen, blauen, chremefarbenen, scharlachroten und auch schwarzen Schimmel gäbe und dass all diese Arten von Biologen wissenschaftlich charakterisiert worden sind. Nur an einen Gaul mit weißem Fell dachte ich damals wirklich nicht. Eigentlich schade um das Gelächter - freilich auch meines - , das damals nicht stattfinden konnte, weil ich so eingeschüchtert war. Andererseits war es für mich besser, diese Frage nicht gestellt zu haben, weil so die notorisch arrogante und unangenehme, überkorrekte und überstrenge sowie eines jeden auch noch so winzigsten Quantums an Humor verlustig gegangene Lehrkraft für Sozial-, Wirtschafts- und Erdkunde keine prima Gelegenheit erhielt, mich auf das Allerherzhafteste und Genüsslichste vor allen anderen auszulachen.

Sie schrieben, dass Ihr "Verhältnis zu mir weder vorbelastet noch problematisch noch von irgendwelchen Spannungen geprägt" sei. Diese Haltung erstaunt mich um so mehr, da Sie doch oft in nächster Nähe waren, als ich in den ersten Jahren in den Räumlichkeiten dieser Anstalt viel öfter als andere gehänselt, verspottet und in Raufereien verwickelt wurde. Sonnenklar, dass eine Bohnenstange, ein lange Lulatsch, eine Brillenschlange, nochdazu ein linkshändiger Rothaariger und obendrein ein Lehrerskind mit gelegentlich zu guten Noten prädestiniert war für Platz Nr. 1 auf der Abschußliste. Vor allem W., E. und S. trieben es sehr weit mit diesem Mobbing unter Jugendlichen, wofür der Fachbegriff "bullying" steht.
Die Quälerei wegen eines Watschenbaumdaseins fing schon in der Volksschule an. Beispiele: "Du viaeggade Sau!", "Ja vareck doch!", "Rotzleffe!", "Du Hundsgrippe"; "Du blöda Hund!". "Hubi Bubi Hubi Bubi Rotfux Rotfux!" riefen sie und tanzten munter auf dem Schulhausgang im Kreis um mich und deuteten mit ihren Zeigefingern auf mich; da war mein "bester Freund" T. damals auch mit dabei. Ich kann da keinen wesentlichen Unterschied mehr zu "Nega Nega Schornsteinfega!" erkennen: weil es eben keinen schwarzen gab, konstruierten sich die Kinder eben einen rothaarigen Nega, auf dem sie herumtrampelten und ausgiebigst Ersatzrassismus praktizierten. Wie erniedrigend, coram publico gezwungen zu werden zur physischen Gegenwehr; was für eine ungeheuerliche Nötigung und Erniedrigung, zurückschlagen zu müssen. Wie peinlich mir das war. Meine erleichtert und gerne zum Friedensschluß gereichte Hand nutzte A., um mir einmal mehr eine kräftige Ohrfeige zu verpassen. Der wenige Jahre ältere Sepp G. vermöbelte mich in der Großen Pause vor der Glastüre zum Pausenhof. Das Duo war eingehegt inmitten einer dicken Traube hocherfreuter Gaffer. Weil ich kräftemäßig unterlegen und deshalb auf dem Rücken lag, waren für mich all diese grinsenden oder herzhaft lachenden Gesichter aus der Frosch-/Bodenperspektive gut zu erkennen; daruter auch das der Lehrkraft K. Ich erinnere konkret mein kurzes Erstaunen darüber, warum diese Lehrkraft sich an dieser Stelle befand und mitgaffte, mir aber nicht half. Und es geschah tatsächlich, dass Jahre später der Lehrer K. tatsächlich Direktor dieser Schule wurde. So war das damals. Und soweit ich es über die Jahre mitbekam, brachten es all diese Mobber später zu wohlgeachteten Mitgliedern der Gesellschaft. Wie schön. Und niemand konnte/wollte mir bis dato sagen, warum ich mich bestens zum Feind eignete. Dabei wollte ich doch nur in Ruhe gelassen werden.
Solche und weitere Schikanen dieser Art haben mich in der Seele unerhört tief verletzt, weil ich nicht wußte, warum dies immer wieder geschah, weil ich mich verbal nicht effektiv wehren konnte und dagegen noch keine innere Barriere hatte. Freilich setzte sich dieser Unfug im Schimpansium selbstlaufend fort. Mir ist bis heute nicht klar geworden, was an einem Wintermorgen damals den E. vor Beginn des Sportunterrichts dazu trieb, in der Umkleidekabine sich meine an einen Kleiderhaken gehängte Lange Unterhose zu schnappen, vor den anderen schnüffeln in sie hineinzulugen, um dann unter lautstarker Äusserung von Ekellauten empört die Nase zu rümpfen.
Ich konnte damals noch keine Ahnung davon haben, dass Sündenböcke, Prügelknaben und schwarze Schafe eine Gruppe stabilisieren, wenn sie durch übergeordnete externe Stressoren unter Druck gerät; so bin ich im übertragenen Sinne reduziert worden auf ein Regulierungsventil, durch das bei Überdruck viel giftiger, ungesunder Dampf abgeleitet wurde. Dazu gehörten auch die ekelhaft-ätzenden, niederträchtigen Bemerkungen eines Klassen- und Schülersprechers, die das Maß voll machten. Nur in Skilager und auf dem Sportplatz bin ich in Ruhe gelassen worden, weil dort weniger Druck herrschte.
Ich konnte leider deshalb nicht angemessen zurückgeben, weil ich in dem Objekt, in dem ich damals heranwuchs, Vernachlässigung, massive Unterdrückung, Einschüchterung und Verunsicherung erfuhr; dazu gesellten sich all die schon in Frank Wedekinds Abhandlung "Frühlings Erwachen" (1891) geschilderten Probleme Heranwachsender mit bürgerlicher Moral, Werten, Konventionen und Tradition in einer verlogenen Gesellschaft, die großspurig über sich die haltlose Behauptung äusserte, den wilhelminischen und nazistischen Zeitgeist längst überwunden zu haben. In Ermangelung desselben wurde kein Herz traurig, als ich wegging: keinerlei empty-net-syndrom. Nur möglichst schnell weg vom Brotkorb. Mein Platz wurde in Abwesenheit geplündert. Aufbau von Selbstwert und Selbstvertrauen - echtes, authentisches Menschsein, ein Sein in Menschenwürde - war mir an genanntem Ort zu allen Zeiten unmöglich gemacht; einige konkret erinnerte und hiermit verbürgte Schandzitate und Schandbegebenheiten sind wie folgt:
"Mei is der Bua dumm!"; drohend stand er bei der Frage "4×6 is?" vor mir und holte mit seiner rechten Hand zur Ohrfeige aus; "Der steht ja da wiara Fragezeichn"; bimsen; "do weads ja zappndusta"; "Man kann alles erreichen, wenn man nur will!"; "ja da siag i schwarz!"; glei fällt da Watschnbaum um!"; Du woast, was g'schlong hod; "der is ja gwohnt, alloa zsein"; "Bua, mach koan soichan Buckl und hoit di grod!"; "Bist hoid ea braktisch ois wia deoredisch begabt."; "mach sofort as Licht aus!"; "Macht nix wannst Mathe und Zeichna net gscheid kannst, I hobs a ned kenna."; "Wiaso machstn koan Einsavoateil?"; "Kernfaul!"; "Zum fürchten dumm!"; schallende Ohrfeige wegen eines falschen Zugs auf dem Schachbrett; "Stinkfaul!"; "Ja grad no!"; "Brust raus, Bauch rein!"; "Dea kriagt oane auf's Dach!"; "Da hast fei mehra Glück ghabt wia Vastand!"; "Du Zinsler!"; "Du Kamoppl"; "Da Blähublä"; "Jetz bist aba dran!"; "Du schtinkelst!"; "Das Saustück!"; "Du woast genau, was g'schlagn hat!"; "g'herad windlweich prügelt"; "... nicht mit Glacèhandschuhen anfassen!"; "hat Dreck am Stecken"; "g'hearat mit Glasscherm klistiert!"; "zum kotzen!"; "Du Kotzbrocken!"; "Schtinkadoris!"; "Halt den Mund/Rand, - die Klappe, - dein Maul, hast Du verstandn!"; Z'amgschtaucht g'herad a"; "Jetz reichts/langts aba!"; "Du schpinnst ja vom Boa weg!"; vor dem Frühstück ohne Vorwarnung eine schallende Watschn. Die Begründung erfolgte erst 10 Minuten später: wegen angeblich schlecht geführter Schulhefte (sie); "Wannst so weidamax't, weast hoid blos Hoibkreisinschenör (Halbkreisingenieur: Straßenkehrer)!"; "Stante pede, jetz aba los los", "Sonst rutscht ma d'Hand aus!"; "Ab mit Dia"; "So a gscheada Rame"; Dia schlog i's Rame o"; "Sag, braugst a Bockfotzn, ha?"; "Ja dia huif I glei, kimm nua glei hera da!"; "Bass blos auf, susnt ruck ma zsamm!"; "Aufhören! Furchtbar! Puh! Schluss jetz! Buh!" schallte es von unten herauf, als ich zum wiederholten mal begeistert meinen mühsam am Klavier eingeübten Totentanz von Franz Liszt spielte; "Und wat sachte dann dea Könich?"; "Du hast ja Flausen im Hirn!"; "Dir mach ich Hammelbeine!"; "unzuverlässiger Kumpan!"; "Hast' nich alle Tassn im Schrank?"; "Der Quadratschädel"; "Bist Du noch bei Trost / bei Vastand?"; Dachschadn, ha?; da Gschwoischädl!; "Dea siagt an Woid vo lauta Bam ned!"; "Weit gefehlt!"; "Du bist ja net gans dicht!"; "übler Knochen"; "Du bist da letzte Dregg!"; "der mit seine dregattn Fiass!"; "Die Nulpe"; "Selten dumm"; "Na ja, brauchbar --" (sein absichtlich sehr spät geäusserter Kommentar nach einer seiner Zwangsnachhilfemaßnahmen zu meinen verzweifelt angestrengten Bemühungen, so gut wie mir möglich ins Englische zu übersetzen); "Wir wollen doch nur Dein Bestes!"; hoffnungsloser Fall; "Du Quadratdepp"; "Kimmt dahea wia da letzte Mohikana!"; "Kommt nicht in die Tüte!"; "Nun ja, wenn Du es wirklich wissen willst: eher mittelprächtig --"; "Nervöser Pinkel"; "So ein domma Borsche!" (er verärgert einen seiner ehemaligen Instruktoren rezitierend, wie dieser seine Anstrengungen kommentierte, die im Malunterricht gestellte Aufgabe - "Zeichnet ein springendes Pferd!" - zu erfüllen); "Geh wisch ma do an Oasch o" (eine von ihm bestens amüsiert erzählte Begebenheit, als Kameraden seiner damaligen Zufallsgemeinschaft ihren Instruktor verbal beleidigten); "Höa endli auf mit dem Experimendian!"; "_ _ _ _ _" (sein gesamter Kommunikationsbeitrag während meines einstündigen Rücktransports nach 14 Tagen Krankenhausaufenthalt); "A Indiana kennt koan Schmeaz." Schallende Ohrfeige wegen eines falschen Zugs beim Schachspiel (er); "Schluss, Aus, Basta, keine Diskussion!"; "Da bist Du falsch gewickelt!"; "da liegst Du völlig daneben"; "Du Rotzleffe!"; "Dem g'hearad a Landla blosn!"; "Das geht Dich doch nur einen Scheißdreck an, wie es mir geht!" (seine Antwort auf meine Frage, wie er sich fühle); "Kinda, mia miassn sparn!"; "nütze die Restwärme"; "Zwoa Blatt Klobabia miassn fei gnua sei, gell!"; "Du Faggi", "die Topsau!", "Kinda!" entfuhr es ihm spontan, nachdem er bei einer Bergtour sich verewigt hatte und sein Blick auf sein soeben ausgepresstes Maturat fiel; "Du Knallkörper!"; "Hea auf zum zündln!"; "Da, mein Geschenk für Dich" (von ihr ein nagelneuer, aber leerer Geldbeutel zum Geburtstag. Beim darauffolgenden Jahrestag erhielt ich erneut ein solches Geschenk - ebenfalls leer -); bekam ein kleines Set Silberbesteck (eine viel zu große Gabel, ein viel zu großer Esslöffel und die Klinge eines Küchenmessers) drei mal "geschenkt": das erste mal zur Geburt, das zweite mal zur Kommunion und das dritte mal zur Hochzeit. Das war tatsächlich möglich, weil die Utensilien die ersten beiden Male einbehalten blieben; "schließe die Augen, dann siehst Du, was Dein ist"; kein Geschenk zum bestandenen Abitur; kein Geschenk zum bestandenen Diplom; keine finanzielle Unterstützung bei Pflichtexkursionen; keine finanzielle Unterstützung für die Exkursion zu den ältesten Gesteinen der Erde; aber: "Wir haben doch so viel in Euch investiert!"; Was kostet die Zitrone?" (sie zu ihrer Schwiegertochter); "Du funktioniast und spuast ja so guad, gell!"; "Du bist durch Nichts zu ersetzen"; "Händ aus de Hosndaschn!"; "Hab Dich auf dem Kicker!"; "Los, mitsingen!"; mit Daumen und Zeigefinger presste sie meine Gesichtswangen mittels Zangengriff zusammen, hob meinen Kopf an und sprach streng: "schau mit jetz genau in die Augn", "Dir mach ich Beine!"; "Du gottbegnadetes Rindviech!"; "I spring da glei mim nackadn Oasch ins Gsicht!"; "net so vui Zugga, sunst babbt da nacha da Hintan zua"; "... sonst wead I massiv!"; "Hodalump!"; "Da is ja da Hund vareckt!"; "Oiso so a Bauandada, -trampl, -fünfa"; "dea gherat an'd Wand gnaglt!"; "a Kind valian is wia wannst an Hundatmarkschein valiast"; "Der hatte ja auch rote Haare." (ihr Kommentar über eine mir gut bekannte Person, die am Leben verzweifelte und sich selbst richtete); "ja mei, hamms gsagt, wann oana ganga is, na machma hoid wida oan"; "Schwamm drüba!"; "Hast'as fei genau beinand!"; hunderte Male von ihr die Frage: "Hast Du Deinen Ausweis dabei?" "Wannst ned wuist, kannst ja gehn"; "Viel Feind, viel Ehr"; "Du Kind Gottes"; "Du Narr in Christo!"; "Wia kimmt nacha Kuascheiß aufs Dach?", "Du mit Deinem heiligen Köapa!"; "Du bist ja total vaklemmt!"; "Bist aufs Mei gfoin, ha?", "I hab' das do g'sagt!"; "Da huift blos no notschlachtn!"; "Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst, kommt das nicht in Frage!"; "aba ordentlich!"; "Dea is ja beinand wia a Backerl Kunsthonig", "Da Klügare gibt nach!"; "Du bist doch viel zu emotional!"; "Du bist ja Wax in de Händ vo andare!"; "Keine Exberimente!"; "Wenn mia uns streitn, nacha blos zwengs de Kinda!"; "Ga-ga-ga-ga!" (äffte eines seiner Kinder beim Stottern nach); "Dumme Gans"; "faules Stück!"; "Das faule Aas!"; "blöde Kuh"; "faules Luder!"; "das Miststück!"; "vo Bolidik verstehst Du nix, Du Unpolitischa"; "Scheiß Schule!"; "da eigschomne Gliedsatz hahaha!"; "I wead jetz Mobile Reserve!", "Du bist do nua deshoib so weit ghupft, weilst vorhea zwoa Schnitzl griagt hast" (ihr Kommentar zu meiner erfolgreichen Teilnahme am Gau-Kinder-Turnfest 1968); "Euch geht's doch viel zu gut!" (sie); "Da fehlt's ja weit!"; "Da spielt eine
Bäänd!" (eine seiner Lautsprecherdurchsagen im Schimpansium); "Bass fei auf gell, beim Rückwäatsfahrn bassian de allameistn Unfäll." und "Halt-halt-halt mein schönes Benzin!" (er während seines Zwangsnachhilfeunterrichts - erste Stunde - zusätzlich zum Fahrschulunterricht, als ich bei abgestelltem Motor mit dem rechten Fußballen das Gaspedal betätigte); Das Erste, was Dich der Richter bei der Gerichtsverhandlung nach Deinem Verkehrsunfall fragen wird, ist, "Herr E., warum sind Sie nicht rechts gefahren?"; "Des Kilotrumm Hartwurscht kimmt fei a no nei gell!" (sie beim Packen des Koffers für 14 Tage Englisch-Nachhilfekurs in London); "antanzen" (Antreten lassen zur Zwangsnachhilfe im Schulfach Englisch); "jetz bist morr!"; Abi; "Sag, bist wieda besoffn?" (er); "Schaug, dass d' weida kimmst!"; total vakopft; "Ja sag was kochst'n da nacha ha?"; "Des war ja a Schnellsiedekurs in Punkto Lebnserfahrung" (ihr Kommentar anlässlich meines 30m-Absturzes - Sept. 1975 - in der Alpspitze Nordwand, Wettersteingebirge); "Ja gehst schon wida zua de Primitivlinge im Verein?"; "mei, is des a Gschwearl!"; "Ja mei, I moan, des Dings hamma vahunagglt oda vaschustert oda vakuhwedelt."; "A Aufklärung woidst ham? Ja zwengs wos nacha ha? Unsa Hund hat des do a net braucht Du Depp!"; "Grad gschwanzlt is"; "James Bond Goldfinger: a supa Fuim!"; "Her mit den kleinen Französinnen!" (er), "beim Frischhut gibt's die Glühnudel!" (sie); "Höa sofoat auf mit dera blädn Nega- und Bumsmusi!"; "Nachtigall schläft" (sie); "geh sei do net sooo pingelig!"; "Sag, warum bist Du so gut gelaunt?" (er zu seiner Schwiegertochter); "Du hast ja Minderwertigkeitskomplexe"; "Sprich gefälligst lauter und deutlicher!"; "Wos, Mobbing? Ja stell di do net so o, d' Kiah auf da Insl Wörth mobbn si a an jedan Dog"; "Es gibt nix Schlimmas ois an dumman Gstudierdn" (sie); Du hast Di total varannt / völlig vafranst!"; "Ja jetz weads aba Zeit!"; "A Mai wiara Schwert; red wiara Maschinagwahr; "Trag net so lange Haar, sonst kriagn d'Leut Angst voa Dia."; "Des woast fei gell, dass ab sechsazwanzge kräftemassig bergab geht"; "Oiso i hätt ma nia so vui Mia gem (er über meine Diplomarbeit); "Der ghört nausgschtampert!"; "Tritt ihm ins Kreuz!"; "Des wagglt ja wiara Kuaschwanz!"; "Gülle ist hundsgemein!"; "Fromarschdöbrie"; "A oids Wei und a gußeisana Saudrog san ewige Werte"; "Dea braucht Feia untam Hintan!"; "Dem ghört d'Meinung gstoßn!"; "nausgschprengt gherat a!"; "Der is ja übastanti"; "g'schasst ghearad a"; "Eam schaugn o, da Muhackl!"; "Ja hat's Dich?"; "Sag braugst no irgend was?"; "Etwas Braunes" (sein Kommentar zu meiner Jugendliebe); "Muast fei aufbassn, dass Dei Zukünftige aus ana erbgsundn Familie kimmt" (eine Forderung, der sie selbst nicht genügte); "Du hast ja Händ so groß wia Abortdeckl!"; "Verdammt!" (ihr Kommentar, als sie erfuhr, dass eines Ihrer Abkömmlinge sich der Scientology-Sekte angeschlossen hatte); "ab mit Schaden!"; "Und wissts des a, dass dem a Schweineherzklappn gem ham?" (ihr Kommentar während des Hochzeitstag-Festmals über einen wegen Herzinsuffizienz früh verstorbenen Kollegen); "Weisst, ein Anrufer wollte soeben einen Herrn Dr. Engelbrecht sprechen, aba da hab i gsagt, dass dea scho lang dot is" (er); "Ja wia hoast a nacha glei wiada, Stefan oda Hubert oda nacha vielleicht do Stefan, ja mei, I woass oafach nimma" (er leugnete, den Namen seines Ältesten zu kennen), "...bis fünfasechzg muast fei arwan, gell!"; "Saffa mechd' I" (seine ersten Worte, als er nach großer Herzoperation aus Vollnarkose wieder erwachte); "Und wanns zwanzg moi as Telephon leit, lasst`s as leitn, is ja eh nua d`Tant Anni"; "..de hod vui Dreg gschluggt", "die Esche hebt den Stadel"; "Helft nicht!"; "Na, d'Nanni braucht koa Sozialvasicharung"; "Da Barras had no nia gschod."; "Ja mechadst ebba moralisian, ha?" (er zornig brüllend anlässlich meines erregten Kommentars zu einem Bericht - im Lesebuch Deutsch 12. Klasse - über die Bajonettierung jüdischer Säuglinge durch die SS); "Des hoast net Baader-Meinhof Gäng, sondan Baader-Meinhof Grup", "De vom Totnkopfverband, des warn'd bestn."; "Auschwitz war doch nua da anus mundi."; "Kuaz und schmeazlos, ruckzuck, zack, aus!"; "Jawoll, hadda gsagt"; "Und dann samma nacha nei nach Radom!"; (eine seiner sehr seltenen Äusserungen über die NS-Zeit und seinen Polen-Einsatz bei der Wehrmacht); "Jetz stellts Eich des amoi voa: unsa Hund hat sei ganz Lebn lang imma des Gleiche gfressn!"; "So was gherat doch im Seichhaferl datränkt!" (er über seine Enkelin); "weißt Du eigentlich schon, dass er sehr sehr sparsam ist und stottert?" (sie über ihren Sohn zu ihrer zukünftigen Schwiegatochta); "Bist ja net da gwen, wiari verdeilt hob" (er); "...und des wead aufn Pflichtteil ogrechnt" (er über den Voraus, den er mir gewährte. Ich gab diesen Betrag freilich beim Finanzamt an und war erstaunt, als es später hieß, der Geber habe deshalb Probleme mit dieser Behörde bekommen); "Na, des braucht's nimma, dass'D uns huifst"; "Sag, willst Du brechen?"; "wea nix sagt, der griagt nix" (selbstentwürdigendes Betteln, das sie liebend gerne wegen ihres Sadismus vernommen hätte, war für mich niemals Option); "Gibst Du es an?" (seine Frage - ausnahmsweise auf Hochdeutsch gestellt - , ob ich einen erneut in Aussicht gestellten Voraus beim Finanzamt melde; eine Frage, die ich sofort bejahte. Freilich bekam ich dann nichts mehr); "Mundus vult decipi"; "Schaug, des schenk i Da!" (zwei verfaulte Äpfel), "Des Glump kannst vo miaraus ham" (seine Antwort auf meine Frage, ob er mir den gedrechselten Stuhl aus der Barockzeit - vormals Mitgift seiner Mutter - schenkt, der in einem Geräteschuppen entsorgt worden ist, nachdem er wegen unsachgemäßer Handhabung in zwei Teile zerbrochen war; "Aba mia ham uns doch blos gfrozzlt." (ihr Kommentar zu der jahrzehntelang coram publico gelebten Streit- und Anschreiehe); "Was für Hennen?"; "Mei, a so a gscheida Bua"; Gscheidhaferl; "Ja wos, a Bublikazion wuist gschrim ham, ja wiavui Goid hasdn nacha dafüa griagt ha?". "Seperate Wahrnehmung!"; Vor einer seiner Autofahrten zum Flughafen hatte ich wegen vorheriger Geschehnisse die Idee, den Ölstand seines Fahrzeuges zu prüfen. So hielt ich den vorher eingetauchten Ölstab ins Licht, um zu sehen, ob sich die Marke im Toleranzbereich befand. Aber ich konnte keine Marke erkennen. So dachte ich, dass ich für die Messung den Ölstab wohl nicht tief genug platziert hatte und wiederholte den Vorgang sorgfältig; wieder mit demselben Ergebnis. Erst beim dritten Messversuch verstand ich, dass der Motor trocken gefahren war. Infolgedessen füllte ich die drei Liter Motoröl nach. Er und die anderen beiden kamen schließlich hinzu. Nachdem ich die Angelegenheit erklärt hatte, hieß es dazu nur unisono lapidar: "Geh woast, des hez do goa net braucht!".
Entsetzliche Worte und Handlungen von Unmenschen, die sprachlos machten. Demütigende, menschen-, kultur-, gemeinschaftsverachtende und -zerstörende Giftsätze und -handlungen: permanente Grenzüberschreitungen, seelische Dauervergewaltigung, Niedertracht pur, Gossensprache ewig Gestriger, die vor der Öffentlichkeit ihre Belesenheit, Fortschrittlichkeit und Intellektualität nur mimten. Fake-Bildungsbürger, als die sie viele nur zu gerne sahen. Hier sind sie wieder: Vertreter der "wertvollen Stützen unserer Gesellschaft", wie Otto Dix und Heinrich Mann sie so treffend portraitierten. Solche Aggressoren kennen nur Zwang und Gewalt in privater Kommunikation und als Erziehungsmittel. Erst bin ich erschaffen und dann bis aufs Blut gequält worden; so war das damals; ich war ganz gewiss kein Kind wahrer und großer, ehrlicher und echter Liebe, sondern nur Mittel zu profanem Zweck. Das seelische Wohl Erziehungsbefohlener war hier nur von nachgeordneter Bedeutung.
Dieser verheerende und brutal dissoziale Einfluß hat die Qualität meiner Umgangsformen und Verhaltensweisen vorübergehend negativ beeinflusst; aber ich war nicht komplett und irreversibel verrohbar, weil ich alterozentriert bin: anderen zuhören und überlegen, ob die vernommenen Feedbacks richtig sein könnten.

Gegen meinen Willen bekam ich in unerträglich hoher Dosierung privaten Nachhilfeunterricht in den Schulfächern Latein (7.-10. Klasse) und Englisch (5.-12. Kl.) mittels rabenschwarzer Pädagogik und Rotstifteinträgen verpasst. So folgte eine Jahr für Jahr wiederkehrende Flut strenger und ungeduldiger, tadelnder Worte. Es war immer zu wenig, was ich brachte. Diese Maßnahme bewirkte zudem unfairerweise eine erzwungene Vorteilnahme gegenüber den anderen der Gruppe. Auch das hat der Entwicklung meiner Selbstsicherheit, Selbständigkeit, Selbstwirksamkeit, Selbstverantwortlichkeit und meines Selbstwertgefühls immens geschadet. Ausserdem bewirkte dieser bis über jeden denkbaren pädagogischen Schwachsinn hinaus getriebene Förderwahn wegen des damit verbundenen externen Erwartungsdrucks und meiner damit einhergehenden Versagensangst eine stetige Verschlechterung meiner Leistungen. Keiner der Verantwortlichen wollte mir jemals erklären, warum man mir gar nichts zutraute und man mit meinen schulischen Gesamtleistungen nie zufrieden war (siehe auch: SZ 29: 08 vom 05.02.2020). Ich hätte immer nur Eiser schreiben sollen. Weil ich das aber nie hinkriegte, war ich minderwertig, galt nichts, war nicht "theoretisch begabt" und deshalb nur ein Mensch niederer Klasse, also eher nur "praktisch begabt".
Die für all das Verantwortlichen haben ausserdem meine gesetzlich garantierte Chancengleichheit absichtlich mit Füßen getreten, weil sie mich nicht dauerhaft unterwerfen und funktionalisieren konnten und sie bis heute meinen, humanbiologische Reproduktion - "des Kindamachn" - sei wertvoller als Kulturarbeit und Wissenschaft. Ich hatte kaum Möglichkeiten, Selbstwert, Selbstvertrauen, - -sicherheit, eine gesunde Identität: das "Urvertrauen" - und faire verbale Schlagfertigkeit zu entwickeln.
Artikel 126-1 ("Die Eltern haben .... die oberste Pflicht, ihre Kinder zur .... seelischen Tüchtigkeit zu erziehen") der Bayerischen Verfassung blieb dauerhaft unbeachtet. "Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung" (§1631/2 BGB). All das blieb unterlassen. Zitat: "Schule kann nur gelingen, wenn man optimistisch in die Schule geht." (04.09.2020, Prof. Dr. Michael Piazolo, bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus).

Obendrein verletzte mich, dass in der Anstalt die Mobber - die meisten von denen reüssierten als angesehene Bürger - , für ihre über Jahre gegen mich gerichteten Angriffe fast nie von den Autoritäten gerecht bestraft wurden und dass letztere diese Quälerei nicht unterbanden. Ich wollte doch nur, dass man mich endlich in Ruhe und in Frieden lässt. Statt dessen wurde ich immer wieder körperlich angegriffen und schwer provoziert. Mir blieb als Jugendlicher damals nichts anderes als die körperliche Selbstverteidigung zwecks Selbsterhaltung, was ich, wie oben schon gesagt, als besonders demütigend, niederdrückend und erniedrigend empfand.
Oft war es doch so, dass ich infolgedessen vor der Gruppe sehr unsicher auftrat, stotterte, ich nur selten laut und sicher sprechen konnte und bei geringsten Anlässen errötete. Die Exposition beim freien Sprechen vor Allen war mir unerträglich. Diese meine Schwächen waren allen in der Gruppe bekannt; niemand versuchte, mir dabei zu helfen, sie zu mindern; und schon gar nicht, sie zu überwinden. Auch in anderen Fällen wurde in Anbetracht günstiger Aussicht auf noch mehr eigenen Vorteil viel zu oft nicht geholfen, indem man offensichtliche Schwächen beließ oder sie mit entsprechendem Verhalten absichtlich verstärkte.
Wie kann denn dann bei solcher Tatsachenlage Ihr Verhältnis zu mir so sein, wie ich Sie ein paar Absätze oberhalb wörtlich zitierte? Es darf doch nicht wahr sein, dass Ihnen das alles egal war, was mir damals auch in Ihrem Beisein angetan wurde. Oder hatten Sie das alles nicht wahrgenommen? Waren Sie taub und blind? Das kann nicht gewesen sein: die für mich unerträglichen und beschämenden Raufereien und Pöbeleien, zu denen man mich immer wieder provozierte, konnte niemand aus der Gemeinschaft übersehen oder überhören. Spürten Sie wenigstens ein einziges mal Mitleid? Wie gerne hätte ich diese Hänseleien so bald wie möglich ein für allemal friedlich beendet. Aber: die erdrückend große Mehrheit duckte sich weg; viele genossen diese Szenen insgeheim; niemand half.
Zu diesen sehr problematischen Erfahrungen, die das normale Alltagserleben weit übertreffen, kam der von nicht wenigen Autoritäten dieser Bildungseinrichtung damals exerzierte und exekutierte ultra-autoritäre Arbeits- und Kommunikationsstil, der im klaren Konflikt zu
Artikel 131-1 ("Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden") der Bayerische Verfassung stand; allen - auch in seinem vorauseilenden Gehorsam - weit voran preschend eine Fachkraft für Altsprachen: ein wahrlich kerndeutscher Folterknecht ersten Ranges, der das Klassenzimmer mit einem Kasernenhof verwechselte und uns ein besonders hohes Arbeitspensum aufzwang, grundlos extrem streng und hart bewertete, uns mit einer Flut von Strafen quälte ("Kapitel 15 und 16 übersetzen!"; "Verweis!", "Arrest!", Abrichte-Kommando (wie in einer Hundeschule): "Alle Aufstehen! Alle Hinsetzen! Aufstehen! Hinsetzen!....; Zitat: "Steh auf und stelle Dich nun ganz aufrecht und frei in den Gang und halte Dich nirgendwo fest, wenn Du ausgefragt wirst.") und uns mit zynisch-aggressiven Bemerkungen ("Jedem das Seine.") erniedrigte und ängstigte; dicht gefolgt von zwei Fachkräften für die Sprache der Naturwissenschaft, deren Wortwahlen gelegentlich ins Trivial-Ordinäre und/oder Sadistische abstürzten. Hierzu einige verbürgte Zitate von Instruktoren dieser Art:
- zornig-brüllend: "I reiß Enk an Oasch bis zum Gnack auf",
- unverschämt fordernd: "Nicht winseln sollt Ihr, verdammt noch mal, sondern schneller rechnen!"
- hasserfüllt-bellend: "Im Ostn hätt' ma mit Eich blos an kuazn Brozess gmacht: Zack, Rübe ab!",
- ganz ruhig, aber eindringlich: "Eine Drahtschlinge um den Hals erzeugt einen dünnen blutigen Einschnitt" (Beispiel zur Veranschaulichung eines der physikalischen Gesetze der Mechanik: Größe der Kraftwirkung einer Masse in einem Schwerefeld - der Druck/Zug - ist indirekt proportional zur Größe seiner Auflagefläche),
- streng-wissenschaftlich-sachlich: "Geschosse mit Drall - der in Gewehrlaufrohren erzeugt wird - können auf ihrer Flugbahn nicht mehr taumeln und erzeugen so in den Zielkörpern Einschußlöcher, die man als absolut sauber bezeichnen kann",
- zynisch-belehrend-besserwisserisch: "Wess' Brot ich ess', dess' Lied ich sing!" (der auf diese Art vorgetragene Satz brachte mich zur inneren Weißglut),
- gleichgültig-gelangweilt: "A Guada hoids aus, und um an Schlechtn is ned schod.".
Andere Lehrkräfte hielten da durchaus mit; einige Beispiele:
- rassistisch: "Ja Kruzi-Negalein!",
- hochgiftig: "Schlechte Kindastube!".
- vollkommen sachlich nüchtern: "Pharaonen konnten dank ihrer Machtvollkommenheit nach Gutdünken über ihre Untergebenen verfügen". Diktiert ins Geschichtsheft 7. Klasse.
- genervt: "Gerade noch, mit achokrachoque." Lateinstunde 10. Klasse.
- belustigt: "reibt man die Hände aneinander, entstehen braune Wuzerl und - natürlich - Wärme". Zitiert aus der ersten Stunde Wärmelehre im Schulfach Physik.
- spöttisch: "Schlechte Note? PePe: Persönliches Pech!",
- höhnisch triumphierend über einen Schüler, den sie draussen an der Tafel ausfragte und den sie nur für dumm hielt: "Nun steig doch endlich mal herab von Deiner langen Leitung!";
- herrisch-arrogant, von oben herab, schwer nötigend: "Lauter!; sprich laut und deutlich, und zwar jetzt sofort - na wirds bald?".
- hohntriefend-spöttisch, prallsatt ge- und erfüllt von gottgegebener Überlegenheit, unendlich großer Selbstherrlichkeit und -gerechtigkeit: "Es soll doch da angeblich gewisse Gründe geben!". Mit dieser perfiden Bemerkung zog ein für den Religionsunterricht am Schimpansium freigestellter Kaplan Gewissensgründe, die Wehrdienstverweigerer damals vor Gericht verteidigen mussten, genüsslich ins Lächerliche und kategorisierte sie als verantwortungslose und feige Drückebergerei sogenannter gefährlicher Linker, Spontis, Anarchos, Bürgerschrecks und Alternativer.
Da vernahm ich sie erneut, die unerträglichen Lautäusserungen/Schallsequenzen (Sprache kann man das nicht mehr nennen) der Herren- und Unmenschen, von denen damals zumindest einer, der ich leider nur zu gut kannte, sich gegen geltendes Recht erdreistete, Kopfnüsse in den Klassenzimmern zu verteilen: (auf diese Art entstand der Pausenhof-Witz: "A kuaza Schlog aufn Hintakopf föadat as Denkvamögn".
Schulfriede, definiert als Zustand der Konfliktfreiheit zur Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und in den selbstverständlich auch Art und Qualität der Kommunikation zwischen Instruktoren und Anstaltsinsassen miteinbezogen sind, war unter diesen Bedingungen nicht gegeben. So hörte und fühlte sich kerndeutsche Pädagogik mit Dampframme und Vorschlaghammer an; seelische Rohrstockpädagogik; da ist bewusst und ganz absichtsvoll alles vorhandene Saatgut zertrampelt, zerquetscht, zerstampft, pulverisiert, verbrannt und somit zernichtet worden. Und niemand beschwerte sich darüber; auch nicht die Eltern der betroffenen Erziehungsbefohlenen. Grobe und seelenverletzende Kasernenhof-Pöbeleien Halbstarker und geistesschlichter, schlecht gelaunter und aggressiver Katastrophengestalten im ehemaligen, längst verdorrten Land der Dichter und Denker. Die Erschaffung eines solchen Milieus ließ erinnerte Anstalts-/Schulzeit nachhaltig zum mentalen Trauma geraten. So verhindert man erfolgreich und nachhaltig die Entstehung einer guten Beziehungsqualität zwischen Schülern und ihren Lehrbeauftragten. Auf diese Art entstanden virtuelle Massengräber, randvoll mit verhinderten oder verlustig gegangenen positiven sozialen und didaktischen Interaktionen und mit gigantischen Massen schnell vergessenen Lernstoffs, der wegen des negativen Lernklimas nicht in den Langzeitgedächtnissen fixierbar war. Da war bis zum zeitlichen Horizont nur mehr Demütigungskultur zu erkennen, in der positive Wissensvermittlung an Jugendliche und ihre rechtzeitige Intellektualisierung für alle Zeiten garantiert ausgeschlossen werden sollte. So erzeugt man garantiert TOTE KLASSEN (sensu Tadeusz Kantor 1975). Das Resultat fasste eine Person aus dem Betroffenenkreis mit der m. E. korrekten Feststellung zusammen, dass "... wir doch alle einen Schlag hätten". Für die Erzeugung dieses bedauernswerten Zustandes bestand jedoch weder dringende Notwendigkeit noch wichtiger Grund. Es geschah viel zu selten, dass uns Mut gemacht wurde, dass wir unterstützt wurden oder dass man uns für ein Thema begeistert hätte (SZ 39: 36-42 vom 22.09.2022. Bedauernswert auch, dass wir es nie zuwege brachten, uns gegen diese Sorte schädliche Pädagogen zusammenzuschließen und wenigstens einmal mittels Widerstand uns zu wehren.
Ähnliche, den sozialen Frieden, das humboldtsche Bildungsideal, die Humanität und den Generationenvertrag zerstörende, gewaltsam realisierte, todtraurige Machtverhältnisse haben schon - unabhängig voneinander - im Jahr 1905 Heinrich Mann in "Professor Unrat" ("Sie sollen nicht denken!" .... "Noch heute werde ich von Ihrer Tat dem Herrn Direktor Anzeige erstatten, und was in meiner Macht steht, soll - traun fürwahr - geschehen, damit die Anstalt wenigstens von dem schlimmsten Abschaum der menschlichen Gesellschaft befreit werde!") und Ludwig Thoma in den "Lausbubengeschichten" (Der Anstaltsdirektor: "Ruchloser Bube Du, wann wirst Du uns endlich von Deiner Anwesenheit befreien?") facettenreich und genial dargelegt. Siehe auch die Beschreibung des prügelnden Präfekten im Klassenzimmer einer Dubliner Schule (in: James Joyce 1916: A portrail of the artist as a young man; New York, 299 Seiten). Es ist eine todtraurige, wohl typisch deutsche Angelegenheit, dass die zur Schriftsteller-Weltelite zählenden Persönlichkeiten Heinrich und Thomas Mann keine Schulabschlüsse erreichten; Frage an das Bildungs-und Wissenschaftsministerium: vom Schulversager zum Literaturnobelpreisträger: was ist nur geschehen im Lande der Dichter und Denker? Auch dem späteren Physiknobelpreisträger Wilhelm Conrad Röntgen attestierte man in Zeugnissen nur mäßigen Fleiß und verwies ihn später ohne Abschluß der Schule. Siehe auch Hermann Hesse (1906): "Unterm Rad".
bis zur Quarta“ wurde geschlagen, in der Regel mit einem Stock auf Handflächen und Hintern (Ernst Jünger 1973: Die Zwille). Theodor Lessing: "Einmal und nie wieder ... Dieses humanistische deutsche Gymnasium mit Patriotismus, Latein und Griechisch in den Hauptfächern …, diese halb auf Ämterwettlauf und Streberei, halb auf eine verlogene, deutschtümelnde Phrasenhaftigkeit aufgebaute Menschenverdummungs- und Menschenverachtungsanstalt war nicht nur ungeheuer gewissenlos, – sie war vor allem langweilig … Nichts, nichts könnte je gutmachen, was diese fünfzehn Lebensjahre in mir zerstört haben....unbrauchbar". Ganz ähnlich die Schul-Kommentare von K. Tucholsky: "Schade um die verlorene Zeit."; R. Walser: "...und Lehrer werden? Ich würde lieber sterben." (Aus: Michael Skasa: Sonntagsbeilage vom 18.09.2011); und A. Andersch 1978: "Dumm ist er nicht, nur faul!" (In: Der Vater eines Mörders, hrsg.1980); Karl Valentin: "Sieben Jahre Prügel sind genug!" und : "Wenn in einem Kübel nix drin ist, dann ist er leer; ist noch weniger drin, dann ist er noch leerer, mit h geschrieben ist er aber ein Lehrer" (H. Becke & G. Fette 2020: Karl Valentin Bildersprache, S. 49); Bertolt Brecht: "Während meines neunjährigen Eingewecktseins an einem Augsburger Realgymnasium gelang es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern."; Udo Jürgens: "... Der Lehrer hat uns knien lassen, wenn er den "Spanischen" geholt hat ... Das war eine Vorstufe der Folter." (SZ Magazin 36: 18 vom 28.08.2014). Personal mit mangelhaften bis ungenügenden pädagogischen Eigenschaften war an diversen Einrichtungen auch in der zweiten Hälfte des 20. Jhds. präsent, wie in DIE ZEIT Nr. 4: 63-64 vom 21.01.2016 von prominenten Schulversagern berichtet wird: "Die Lehrerin hat mich ausgelacht" (Ahmet Toprak, Professor für Erziehungswissenschaften); "Ich quälte mich, von den Eltern angstvoll gestützt" (Sabine Rückert, Chefredakteurin der ZEIT); "Schule war eine nebelhafte Veranstaltung" (Thomas Fischer, Bundesrichter); "Ich saß häufiger im Wirtshaus als in der Schule" (Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg); "Es war ein glücklicher Zufall, dass ich in der Schule nicht als talentiert galt" (Wolfgang Tillmans, Fotograph und Künstler); "Ich würde gerne die Beleidigungen meines Physiklehrers vergessen. .... Entschuldigen müssen sich bei mir die unverbesserlichen Nazis, die versuchten, uns mit Schwarzer Pädagogik zu Untertanen zu erziehen" (Konstantin Wecker, in: SZ 143: 20 vom 24.06.2019); "Lernen ist eine unterschätzte Freude; leider wird sie einem meist verleidet." (Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk; in: SZ 119: 20 vom 25.05.2020). "...noch schwerer als die Kopfnüsse wogen die Verbalinjurien. Es treib mich auch nach 42 Jahren noch um, wie ein Lehrer damals damit durchgekommen ist." (A. Smoltczyk in: DER SPIEGEL 47: 56 vom 16.11.2019); "entschuldigen muß sich bei mir der Geistliche meines Internats, der mir wiederholt Verfehlungen andichtete, um mich mit Stichen einer großen Sicherheitsnadel in den Hintern zu bestrafen" (Uli Edel in SZ 149: 20 vom 01.07.2019). "Der grobschlächtige Oberpräzeptor brüllte uns immer an: "Ihr teuflischen Geisteskrüppel!". Er schlug haltlos auf uns ein, und mich nahm er sich dabei besonders gerne vor." (Chefredakteur Theo Sommer in DIE ZEIT 25: 07 vom 10.06.2020). "Schule müsste näher am Alltag sein und an den psychischen Herausforderungen, die wir zu meistern haben. Die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu bilden, müsste viel mehr im Vordergrund stehen. Und wenn jeder da abgeholt würde, wo er steht, würde das Lernen leichter fallen" (Nelson Müller, Sterne-Koch und Gastronom, in: SZ 141: 20 vom 22.06.2020). "Die endlose, traumatische Langeweile." Anne Haug, Schauspielerin (SZ 188: 20 vom 17.08.2020). "...Der war ein als Pädagoge verkleideter Vollpfosten: ...ein kleiner, verbissener, überstrenger, sadistischer Mathematiklehrer" (Florian Hinterberger, ehem. Sportchef beim TSV 1860 München. In: SZ 196: R4 vom 26.08.2020). Der Mathematiklehrer zur Schülerin Katharina: "Es ist besser, wenn Du im Kaufhaus Schramm Unterhosen stapelst." (SZ 200: 29 vom 31.08.2020). "Noten sind geeignet, klein zu machen, selten groß. Und sie bestärken die Streberseele.... Schule müsste auf individuelle Stärken eingehen, Großzügigkeit lehren, Kreativität fördern und auch die Tugend des Ungehorsams. Was vermutlich dem schulischen Gedanken widerspricht" (Carmen Korn, SZ 229: 19 vom 05.10.2020). Noch im Jahr 1980 schreckte man vor übelster Verfluchung nicht zurück: "Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Ihrem späteren Leben einmal scheitern werden. Leute wie Sie brauchen wir nicht." (SZ 283: 23 vom 07.12.2020. Friedrich Dürrenmatt: "Das Kindergefängnis, das wir Schule nennen, brachte mich nach und nach zur Strecke. Sie war für mich etwas Entsetzliches, dieses Gehorchen-Müssen habe ich als fortwährende Bedrückung empfunden. Daraus ist dann auch das Motiv der Rache entstanden. Die ersten, unreflektierte Form der Rebellion ist ja die Rache. Man will sich für etwas rächen, was einem in der Kindheit angetan wurde." (SZ Magazin 50: 30-45 vom 11.12.2020). Gesine Schwan: ".... Beschämung von Freundinnen und Freunden, die an der Tafel von Lehrern vorgeführt wurden, v. a. in Mathe. ... Noten sind etwas, das die meisten Schülerinnen und Schüler unglücklich macht. Schlechte Noten helfen in der Regel nicht, zu verstehen, was man besser machen könnte." (in SZ 62: 30 vom 16.03.2021). Erwin Kostedde (Stürmer bei Kickers Offenbach): "Dort in der Schule gab es einen fürchterlichen Lehrer. Der hat mich drangsaliert und verspottet." (SZ Magazin 12: 19-20 vom 18.03.2021). Buchautor Wolfgang Schorlau: "Ich verließ die Schule ... in dem sicheren Bewusstsein, dass ich einfach total dumm bin .... Schule müsste sich grundlegend ändern: Kinder ernst nehmen, ihr Selbstbewusstsein stärken und Spaß machen (SZ 133: 21 vom 14.06.2021). Günter Jauch (Fernsehmoderator): "Gepflegte Langeweile ... der eine Typ war der autoritäre Polterer, den die Nazizeit übrig gelassen hatte. Der versuchte alles nach dem Zucht-und-Ordnung-Prinzip durchzusetzen. Der andere war das antiautoritäre Weichei, das sich jede Disziplinlosigkeit gefallen ließ." (Die Zeit Nr. 02: 37 vom 05.01.2022). Marie-Agnes Strack-Zimmermann: "Der Lehrer sagte: Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähen, sollte man beizeiten den Hals umdrehen." (DIE ZEIT 32: 39 vom 04.08.2022). Lena Meyer-Landrut: Ich fand das System Schule damals ätzend und habe es innerlich boykottiert... Ich habe die Schule nur durchgezogen, weil ich es musste und einen Abschluß haben wollte" (SZ 58: 10 vom 10.03.2023).
Obwohl hier schon Anfang des 20. Jahrhunderts von Philosophen und Schriftstellern die Bildungsmisere perfekt analysiert und laut auf sie aufmerksam gemacht wurde, sind diese besonders wertvollen System-Diagnosen von den Entscheidungsträgern in der Erziehungs- und Bildungseinrichtung zum Schaden aller - betreffend ihren kulturellen und sozialen Status und ihre seelische Gesundheit - anscheinend bis heute nicht wirklich ernst genommen worden. So ein System führt zu keiner wahren Humanisierung und echten Intellektualisierung der Gesellschaft, sondern nur in Richtung Talibanisierung. Jede Gesellschaft bekommt eben ganz genau die Entscheidungsträger und Multiplikatoren serviert, die sie verdient. Wissensvermittlung und freudiges selbständiges Lernen kann nur in einem positiv gestimmten Umfeld gelingen; vollzieht sich Pädagogik jedoch in einem negativ gestimmtem Umfeld, gelingt Lernen viel schwerer und die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Bildungs- und Schulverweigerern erhöht sich. Es gibt sie immer noch: Schulleiter, die ein Klima der Angst und Einschüchterung erzeugen und ihr Verhalten leugnen, wenn es zur Sprache gebracht wird (SZ 189: 06 vom 18.08.2020). "Lehrer, die keine Fehler zugeben, sind die schlimmsten.....Das Feuer der Jugend darf man nicht löschen" (Stud. Dir. und Schriftsteller Ewald Arenz in DER SPIEGEL 07: 54-57 vom 11.02.2023). "Immer mehr Leute haben die Nase voll von der Abfertigungsmentalität, der nicht-individuellen Behandlung ihrer Kinder und letztlich nicht nachhaltigen Lernqualität an Schulen....Ich wollte kein autoritärer Lehrer sein, wie ich es selbst in den 60er Jahren erleiden musste....Ich bin Lehrer, weil ich Schüler habe, die mir am Herzen liegen, nicht weil ich Lerninhalte durchpauken muss....Es gibt nur einen Weg, Kinder zu motivieren: das ist die eigene Begeisterung, die ansteckend wirkt....Ich habe die Noten nicht verwendet, um Schüler kleinzumachen....Es geht immer darum, Selbstwertgefühl zu fördern...Dann werden die Schüler sich selbst etwas aneignen, nicht indem ihnen etwas beigebracht wird....Selbst lernen ist nachhaltig". (Dieter Bachmann in SZ 77: 46 vom 01.-02.04.2023).

Es wäre der bessere Weg gewesen, einige Dogmen der Pädagogik aufzugeben: lebendiges Lehren und Lernen (Ruth Cohn) zu ermöglichen und die Schwarze Pädagogik für alle Zeiten letzter Klasse zu begraben und sich bei allen Geschädigten in aller Form zu entschuldigen. Siehe auch: Oliver Hauschke (2019): Schafft die(se) Schule ab. mvg Verlag.
Am Entsetzlichsten empfand ich aber die immer wiederkehrenden und hochnotpeinlichen Erzählungen über den letzten Weg von Gottes Sohn, die - neben anderen - Kaplan Günter M., eine "Fachkraft" der Anstalt, mit unverkennbarem Genuß wie folgt darbot: "... und dann erfolgte die zweite Geißelung am Kreuz; das war pikant!".
Mehr.
Und da geschah noch folgendes beim Musikunterricht für Jugendliche aus dem angeblich gehobenem Bildungsbürgertum: Während in dem Schulzimmer die andere Person mit dem Musiklehrer am Klavier übte, sah ich ein Heftchen, ausgelegt auf einem in der Nähe befindlichen Stuhl. Als ich darin blätterte, sprang Grauenhaftes in meine Augen: in Form von Schwarz-Weiß-Skizzen, in denen die Folterung gefesselter nackter Menschen auf seltsam ästhetische Art dargestellt war. Zudem merkte ich, dass beim Blättern der eiskalte und ruhige Blick des schräg zum Klavier sitzenden Musikpädagogen dabei beständig auf mir ruhte: mich förmlich durchbohrte. Verwirrt und verunsichert legte ich schließlich das Heftchen zurück. Was wollte er damit bezwecken? Kein Wort wurde anschließend darüber gesprochen; wie seltsam. Klar, dass ich auch deshalb wenige Monate später auf einen Unterricht mit einer Beigabe dieser Art verzichtete. Ich hatte kein Vertrauen mehr in einen Musikpädagogen dieser Art.
Friedlich und empfindsam wie ich eben war, haben auch diese großen seelischen Stressoren meine intellektuelle und seelische Entwicklung erheblich verzögert, aber nicht verhindern können. Freilich musste sich keiner der Verbalsadisten aus der Anstalt jemals für seine Verbalinjurien in Straf- und Disziplinarverfahren verantworten; freilich hat sich keiner dieser Verbal-Berserker jemals selbst vor den Gekränkten, Beschämten und Verängstigten entschuldigt. Kann man das wirklich so belassen und weitermachen, als sei nichts geschehen und alles gut so? Geht man wirklich so mit jungen und hoffnungsvollen Menschen um? Was war es denn anderes als ganz absichtlich angewandter Terror und Bloßstellen, als der Mathematiklehrer in der 7. Klasse die korrigierte und bewertete Schulaufgabe nicht alphabetisch, sondern notensortiert herausgab: die schlechteste Arbeit zuerst, die beste zuletzt. Somit war für alle öffentlich zu erkennen, wer welche Bewertung erhalten hatte. Zunächst herrschte peinlich gespannte Stille und atemloses, versuchsweise angestrengtes Wegsehen, leises Schluchzen, dann, mit den besseren Noten, wurde es immer lauter, fröhlicher und zum Schluß war nur mehr enthemmtes Jubel- und Freudengeschrei der Besten über die Schlechteren und beide zusammen über die Schlechtesten. Ich war damals einer von denen, die ihre Arbeit sehr früh zurückbekamen; Mengenlehre, die von einem solchen Mathematiker vermittelt wurde, war für mich damals ziemlich unverständlich.
Wie sehr sehnte ich mich, ohne dies damals klar verstehen und artikulieren zu können, nach wahren und echten Autoritäten, denen ihre Bildungsarbeit mit Jugendlichen ehrliche Freude bereitete, die gerne mit jungen Menschen zusammen waren, vor denen man keine Angst zu haben brauchte und die man deshalb nie hassen lernte. Mit der radikal ehrlichen Realisierung folgender Einstellung wäre vieles besser gelaufen: "Lehrer sind die wichtigsten Menschen der Welt. Sie halten die Zukunft in Händen. Wir müssen die Lehrer sorgfältig auswählen. Wir müssen sie gut bezahlen. Das Lehren darf nicht nur aus Inhalten bestehen. Lehrer müssen auch Vorbilder sein. Und wer als Lehrer nichts taugt, darf nicht unterrichten.": Nobelpreisträger Dan Shechtman, Entdecker der Quasikristalle; in: SZ 153: 16 vom 05.07.2016. Aber weil diese Anforderungen an Lehrende damals wie heute im längst verdorrten Lande der Dichter und Denker irrelevant geblieben sind und nie realisiert wurden, kam es, dass neben vielen anderen auch ich wegen oben genannten verheerenden Einflüssen seelisch und kommunikativ regredierte. Es ist doch so: Schlechter, rücksichtslos eintöniger und langweiliger Unterricht erzeugt geistige und psychologische Barrieren gegenüber essentiellen Fach- und Wissensbereichen (SZ 290: 23 vom 16.12.2019; dasselbe gilt freilich, wenn Schüler überfordert werden.

Schüler kämpfen an zwei Fronten: an der einen, um den "Stoff", der ihnen um die Ohren gepfeffert wird, verstehen und anwenden zu können. Die andere Front besteht in der Leistungskonkurrenz, besser sein zu wollen/sollen/müssen als die anderen und in der entstandenen Hierarchieleiter möglichst weit hinauf zu klimmen. Diese Art Konkurrenz mag zwar gut sein, um Schüler noch mehr zum Lernen anzutreiben, aber sie ist nicht gut für den freundschaftlichen Zusammenhalt. So meine ich, dass Leistungskonkurrenz ein leises Gift ist, das Zusammenhalt und Solidarität unter den Schülern zersetzt, zugunsten der Macht der Instruktoren. Wäre es von da her gesehen nicht besser, wenn man, ausser vielleicht beim Sport, das Leistungskonkurrenzverhalten ad acta legen würde und man nur mehr um des Lernens und Begreifens Willen die Anstalt besucht, und nicht deshalb, um besser/intelligenter sein zu wollen als andere? Das wäre dann echtes Lernen für das Leben und gut für mehr freundschaftliche Verhältnisse unter den Schülern; dann wären alle auf gleicher Augenhöhe und würden sich auch eher gegenseitig helfen, den "Stoff" zu begreifen: weil es keine giftige, den sozialen Zusammenhalt zersetzende Leistungskonkurrenz mehr gäbe. Und die Instruktoren bekämen es mit einer gestärkten Klassengemeinschaft zu tun. Also: hinweg mit der Strebabatzerei!

Zu oft erhielt ich den deutlichen Eindruck, dass die Jugend für zu viele Erwachsene nichts anderes war als überflüssig; zudem lästiger, dummer und blöder, gefährlicher Balast und unangenehmste Mühsal, wofür nichts Dringenderes erforderlich war als rasche Distanzierung und effiziente, billigste Entsorgung nach qualvoller Erfüllung lästigster Erziehungs- und Ausbildungspflicht. Zu selten - eigentlich nur auf dem Sportplatz und in der Turnhalle - erlebte ich, dass Erwachsene sich an der Jugend erfreuten, sie wertschätzten, förderten, mit ihnen Geduld hatten und sie willkommen hießen.

Sie fragten nach dem " ...Part, den ich in Deinem Leben gespielt habe". Hier ist er: ich bewunderte damals Ihr souveränes Auftreten, Ihre Selbstsicherheit und Ihr Selbstvertrauen. An diese Fähigkeiten, die Ihnen damals das Vertrauen vieler brachten, wäre ich gerne auch nur ein kleines bißchen herangekommen. Sie waren in dieser Hinsicht damals für mich ein unerreichbares Vorbild und ich fühlte mich Ihnen gegenüber als der viel Schwächere.

Sie waren damals für viele der Gruppe Vertrauensperson und hatten wahrlich etws zu sagen; Ihr Wort hatte Gewicht. Aber warum nur machten Sie damals Ihren großen Einfluß nicht wenigstens ein einziges mal ausnahmsweise auch zu meinen Gunsten geltend, indem Sie mich weiterhin im Mobbing-Regen und der Isolation stehen ließen? Warum wiesen Sie die Mobber nie in ihre Schranken? Warum halfen - wie alle anderen - auch Sie mir nicht? "Es gibt nur ein redliches Mittel, Verfolgte vor Verfolgung zu schützen: indem man sich neben sie stellt!" (Emile Zola). Dies ist aber über all die Jahre nie geschehen.

Als ein von seinen Anlagen her sehr geselliger Mensch bin ich damals von dieser Gemeinschaft und anderen Gruppierungen, in denen ich mich ohne dauerhaften Erfolg zu etablieren versuchte, wider Willen immer mehr in die Außenseiterposition gedrängt und nach dem Abgang fallen und alleine gelassen - sich selbst überlassen - worden. Wesentlich dazu beigetragen hat zudem folgendes: Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bin ich zur selben Uhrzeit, am selben Tag und im selben Jahr in dieselbe staatliche Bildung-Einrichtung geschickt worden, in der auch ein naher Verwandter von mir zu arbeiten begann. Ich bin in diese gesetzeswidrige, aber leider von allen Verantwortlichen geduldete Situation einfach hineingezwängt und nie ohne Druck oder Suggestion gefragt worden, ob mir das recht war. Noch weniger habe ich zu verantworten, dass in den sich scheinbar endlos dehnenden Jahren bis zur Entlassung aus dieser Einrichtung dieser nahe Verwandte regelmäßig vor der Parallelgruppe Dienst tat und sie mit seiner hochspezialisierten "Schwarzen Pädagogik" besonders delektierte. Durch die unerträglich peinliche und höchstgradig problematische Einflußnahme dieser Person wurde der für alle geltende Gleichheitsstatus einer das normale Maß übersteigenden Belastungsprobe ausgesetzt, an der die Gruppensolidarität zerbrach. Ich hörte mehrmals, wie man mir Vorteilnahme unterstellte. Auch deshalb begann man mich zu mobben und zum Sündenbock zu machen. Und im Laufe der Zeit wurden immer bessere und wirksamere Methoden erfunden und angewandt, um mich in den "Zweckgemeinschaften" weiter zu mobben, zum Sonderling zu machen und kalt und schleichend hinauszudrücken.
So fühlte ich mich fremd in der Gruppe und fand - bis auf wenige Ausnahmen - aus der Rolle des immer öfter aus den Gemeinschaften Ausgegrenzten nicht mehr heraus. Es leuchtet ein, dass diese Gruppensituation meiner eigenen geselligen und freundlichen Natur damals sehr abträglich war: wachsende Befangenheit, Unsicherheit, Bedrücktheit und Entmutigung verstärkten meinen Regress. In Kursen, bei denen Teilnehmer aus beiden Parallelgruppen zugegen waren, konnte ich mich noch weniger oder gar nicht äussern.
Diese Entwicklung war mir gar nicht recht und ich hatte damals bereits große Angst, weil ich nicht verstand, warum man mich entweder durch Nichtinformation oder durch Abweisen immer wieder draußen vor der Türe ließ. Trotzdem lief ich vermeintlichen Freunden die Türen ein, ließ nicht locker, drängte mich - mich selbst durch dieses Verhalten beschämend - auf. Es nützte nichts und letztendlich stand ich immer wieder im Abseits. Beispiele:
- "Du lachst umsonst"; "Raus mit Dir, geschlossene Gesellschaft!", spottete und schimpfte man, als ich in einer Kneipe Gesellschaft suchte;
- "Alle .... san eggat"; sagte mir Sportlehrer K.;
- "Ich habe Dich vor der Uni gestern gesehen - Du warst ganz alleine!". Es war ein vermeintlich guter alter Bekannter, der mir diese Grobheit grundlos und unvermittelt an den Kopf warf. Jahre vorher erzählte er mir, dass er nun abends seinem Vater bei der Bewältigung des zu groß bemessenen Schicht-Tagessolls helfen müsse. Da überlegte ich, ob ich nicht mithelfen solle; verwarf dann aber den Gedanken, weil ich wusste, dass anderen dies nicht passen würde und ich Ärger bekäme.
- "Man kann Dich so gut ausnutzen!", sagte man mir vollkommen unverblümt in einem Verein; trotzdem engagierte ich mich dort noch eine Zeitlang. Mein Motiv damals war, anderen eine Gelegeneheit zu geben, in die Berge zu kommen und nicht zu Hause sitzen zu müssen;
- Sie durchlitt einen episodischen Mitleidsanfall. So kam es, dass E. in der Kneipe ein Gnadenweißbier zusammen mit mir trank. Danach ließ sie das leere Glas und mich stehen.
- "Heda, Oida Kämpfa!";
- "Mei hast Du an hoassn Oasch!", sagte mir der F. vom Verein, als er am Wirtshaustisch meinen Platz einnahm;
- "I' werd' jetz' auch Lehrer, mit Doppel-e!";
- "Zeige Deine Wunde!" (verhöhnte mich coram publico ein Erzmineralogie-Professor anlässlich einer Zwischenprüfung);
- "Sind Sie fleißig, Herr Engelbrecht?", mobbte mich ein Mineralogie-Professor;
- "Das überlassen wir doch am besten dem Zufall, wann wir uns wiedersehen", beschied mir B.;
- "Na, voll drin?", schrie man mir bei einer Studenten-Fete höhnisch über den Biertisch zu;
- "Jetzt wird es aber höchste Zeit, dass Sie mal in einen Puff gehen und dort endlich Erfahrug sammeln.", meinte ein Erzmineralogie-Professor genüßlich coram publico während einer großen Exkursion;
- W. ließ eine von mir rasch auf einem Stück Papier gefertigte geologische Skizze, für deren Datengrundlage ich Monate im Gelände geschwitzt habe, vor meinen Augen kommentarlos in den Papierkorb segeln;
- "Mia schmeißn Di scho naus!";
- "Sie mit Ihren soft facts, Sie Langweiler! Viel lieber ist mir der hard sex!", verhöhnte mich ein Erzmineralogie-Professor in seinem Arbeitszimmer im Verlauf einer Diskussion, die ich erfolglos auf wissenschaftlichem Niveau zu halten versuchte.
Ich bin sowohl von Individuen als auch von Gruppen zunächst zur Beute deklariert und dann von ihnen wegverdaut worden. Die Anzahl meiner Kränkungs-, Entwertungs-, Frustrations-, Niedertrachts- und Mißachtungserfahrungen sind Legion. "Worte - und Gesten (Ergänzung durch den Verfasser) - können schwerer verletzen als Taten" (Prof. J. Goodall); "Sprache kann ... töten" (Herta Müller 2012); "Sprache kann zur Gewalt verleiten" (Prof. S. Benesh in DER SPIEGEL 47: 42-45 vom 17.11.2018). Ein Mensch, von dem die Gesellschaft beschlossen hat, ihn auszustoßen.

Ausbrüche spontaner Freude über mein Dasein, wie sie am 17.05.2019 ("Die schönste Haartracht des Tages!") ein Migrant äusserte, hatten extremen Seltenheitswert.

Es ist wahr: auch mit Worten kann man ermordet werden: "Spring doch!". "Lass Dich nicht aufhalten." Bei so viel Gegenwind, den ich garantiert nicht selbst erzeugt habe, kann kein Ur- oder Weltvertrauen entstehen. Wie gerne wäre ich damals mit dabeigewesen; mit echten Freunden zusammen gewesen! Das, wonach ich am meisten strebte - nämlich Geborgenheit in Gemeinschaften und damit bestätigte gesellschaftliche Akzeptanz -, blieben mir damals ohne erklärbaren Grund verwehrt. Immer deutlicher merkte ich, wie der Boden unter mir dünner wurde, aufzubrechen begann und einen eiskalten und tiefschwarzen Angstozean darunter freigab, in dem ein Ausgesetzter und Verstoßener zu ertrinken begann.

Es geschah an einem Sonntag im Ferienmonat August, als ich meinen Ängsten nicht mehr standhalten konnte und ich einen kompletten Nervenzusammenbruch erlitt: jeden Moment meinte ich, mein Herz müsse stehenbleiben oder der Schlag würde mich treffen oder ich müsse ersticken. Es war die Zeit, in der ich dachte, meine Ziele nicht mehr erreichen zu können, weil ich auf dem Weg dorthin zusammenbreche, liegenbleibe und an Schwäche sterbe. Ich traute mich nicht mehr alleine über die Straße, ohne von meiner damaligen Lebensgefährtin gehalten zu werden, denn ich hatte Angst, beim nächsten Schritt vor Schwäche tot zusammenzubrechen. Und immer wieder drängten die Gespenster-Gedanken vom Lebensende herein: es wäre doch eine Erlösung, nicht mehr zu zögern und mir doch nun endlich selbst den Gnadentod zu gönnen, um mir selbst und anderen nicht mehr zur Last zu fallen.
Ich litt unter schweren Albträumen. Beispiel: Alleine gehe ich über einen schönen grünen Bergsattel hinüber zu den Steinernen Almhütten. Alles ist ruhig und friedlich dort und die Sonne scheint warm; es ist windstill und mild. Aber ich gehe seltsam langsam und ein wenig beschwerlich. Trotzdem komme ich gut voran und nähere mich den Hütten. Dort wird aber der sanfte Wiesengrund felsig und aus Richtung der massiven Mauersteine der Hütten fegt eiskalter Wind heran. Niemand ist dort; alles ist still, tot und leer; wie in einem Vakuum; trostlose Verlassenheit und Verlorenheit; hier war schon lange kein Mensch mehr. Dann sehe ich, dass die Almhütten innen drinnen mit blankem Eis erfüllt sind. Das Gehen fällt mir immer schwerer und als ich an mir hinab blicke, sehe ich, dass meine Füße fehlen und ich nur auf den Beinstümpfen stehe. Weiter oben an mir bemerke ich, dass das Hemd zerfetzt und mein Oberkörper weit aufgerissen ist. Trotzdem gehe ich wortlos und zäh meinen Weg weiter, an den Hütten vorbei, immer hinauf.
Ich müßte einen neuen Begriff kreieren, der dieses verheerende Gefühlsgemisch aus grenzenloser Verlassenheit, Hoffnungs- und Hilflosigkeit, Schwäche, Frustration, Trauer, Verzweiflung und allgegenwärtiger Panik am besten trifft. Stellen Sie sich die Bilder Edvard Munchs Der Schrei oder Caspar David Friedrichs Das Eismeer oder die verunglückte Hoffnung vor; oder lesen Sie Georg Heyms Jonathan; oder denken Sie an die letzten Sekunden der in den Fenstern des ehemaligen New Yorker WTC auf Rettung Wartenden vor, als in der steigenden Gluthitze der Boden nachgab und sie brennend in das wirbelnde Staub- und Trümmerchaos zu stürzen begannen; oder stellen Sie sich die Polarforschergruppe vor, die gerade den zugefrorenen Fjord querte und seine Mitte erreicht hatte, als landwärts ein Sturm losbrach, der die Eisdecke des Fjords aufbrach und die einzelnen Schollen rasch hinaustrieb in die endlosen Weiten des zirkumantarktischen Ozeans: so wird für Sie vielleicht besser verständlich, was dieser noch zu erfindende Begriff ausdrücken soll. Wissen Sie einen? Sicher nicht!

Diese Grenzerfahrung, dieses "im Angesicht des psychischen und sozialen Todes seiens" war bei weitem der tiefste Einschnitt, den ich bisher erlebt habe. Gleichzeitig war dieses Ereignis aber auch Gelegenheit zur Neuorientierung: eine Chance zum Neustart, die ich bestmöglichst zu nutzen wusste. Wie schön und beruhigend ist es, großteils aus eigener Kraft einen neuen, viel freundlicheren und freieren Lebensabschnitt begonnen zu haben. Hans Christian Andersens "Häßliches Entlein" wurde lieber Schwan. Ich genieße nun meine Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit. Wie gut das tut, mit letzter Sicherheit zu wissen, dass es einer erdrückenden, verstockt sturen und gleichgültigen Mehrheit und Übermacht nicht gelang, mich in den Orkus zu drängen.

Sie mutmaßten zynisch, dass ich
"wohl gerade dabei sei, mein bisheriges Leben aufzuarbeiten". Diese Erinnerungs-, Spiegelungs-, Übersichts- und Selbstoperationsarbeit, eine - hier ausnahmsweise sehr nützliche - Qual für solche, deren natürliches Daseins- und Geltungsrecht von kotzengroben, neidigen und voreingenommenen Gegenmenschen (Angehörigen-, Kameraden- und Kollegendreckschweinen) permanent in Abrede gestellt worden ist, habe ich erbracht, so gut ich nur konnte. Aber wirklich fertig ist man damit wohl nie; das weiß jeder, der sich
- wenigstens ein bißchen traut, über seinen Plastik- oder Goldtellerrand hinauszuschauen und
- sich unerbittlich ehrlich in Selbstkritik und Selbstreflektion übt.
Sind Sie diese Arbeiten schon angegangen? In Ihren Zeilen kann ich davon nichts erkennen. So wie ich Sie einschätze, meinen Sie wegen Ihrer Überheblichkeit wohl, dass Sie so etwas gar nicht nötig haben.

Wir alle machen Fehler, weil wir nur Menschen sind. Aber ich bin der Meinung, dass ich damals nicht das entscheidende Quantum Mehr an Fehlern begangen habe, das meine brutale Ausgrenzung aus dieser Zufallsgemeinschaft tatsächlich gerechtfertigt hätte. Und da mir noch nie jemand konkrete und wohlbegründete Fakten nannte, die meine Position widerlegt hätten, schließe ich, dass meine Fehler nicht besonders schwer wogen. Ich denke sogar, dass einige, die in der Gemeinschaft integriert bleiben durften, mehr Fehler begingen als ich. Sicher ist, dass mir damals unverhältnismäßig mehr und vollkommen unbegründet schwerstes seelisches Leid zugefügt worden ist, indem man mir endlose Male den Weg ins Nichts, zum Ausgang und in letzter Bedeutung zum Exitus wies: "beeil Dich und verreck doch endlich!". Besonders enttäuschend war für mich, dass das von einer schweigenden Mehrheit gebilligt worden ist und dass sie - wie bei Ausführung verwerflicher unersättlicher Gier - vom Mobbing und dem sadistischen sich Weiden und Freuen am Elend des Gemobbten nie genug bekommen konnte. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass auch nur eine Person dieser Gemeinschaft mir freiwillig ein einziges mal aus meiner Bedrängnis geholfen hätte. Kann schon sein, dass einige mich sogar schätzten und mir helfen wollten, aber wegen des Gruppenzwangs nicht die Courage dazu aufbrachten, weil sie sich dann selbst auf die Mobbing- und Abschußliste gesetzt hätten; leider nutzt der gute Wille alleine nichts. Eine gnadenlose Gemeinschaft an ihrem absoluten moralischen Nullpunkt, den sie all die vielen Jahre bis zum Abgang und freilich auch die darauffolgenden Jahrzehnte in grandioser Sturheit hegte, pflegte und gedeihen ließ. Spätestens hier wird deutlich, wie anstrengend und unangenehm für Täter und Mitläufer das "miteinander Reden" mit Bedrängten werden kann, wenn sie Gründe nennen sollen, warum sie Schwächere/Empfindlichere über Jahre quälten bzw. ihnen nicht halfen. Unter diesem Aspekt kann die sokratische Einsicht auch verstanden werden, warum "es leichter ist, unter denen zu sein, die Unrecht erleiden, als unter denen, die Unrecht tun". Philosoph Hans Magnus Enzensberger: "...Man macht Fehler. Man kann sie aber auch zugeben. Das ist nicht so schwer...".

Die moralische Qualität einer Gemeinschaft steht und fällt damit, wie sie gruppensolidarisch gesonnene Schwächere und Empfindlichere integriert und in welchem Ausmaß sie ihnen beisteht und sie unterstützt. In jeder ehrlichen und fairen Gemeinschaft geht es doch darum, dabei zu helfen, die Schwächen einzelner zu mindern und nicht darum, sie zu verstärken, um vermeintliche eigene Machtpositionen weiter zu festigen.
Jede Gemeinschaft schadet sich selbst am meisten, wenn sie in archaischer Manier innere Spannungen und die Wirkungen externer Stressoren durch Mobbing an Vertretern von Minderheiten zu lösen versucht, indem sie diese erst psychisch und physisch quält und dann sozial mordet. Es ist zum Überdruss Allgemeinwissen geworden, wie brandgefährlich es werden kann, wenn "(Täter)-Gemeinschaften" absichtlich Desperados züchten. Traurig nehme ich die Tatsache zur Kenntnis, dass Mobbing auch nach über 50 Jahren ein Dauerbrenner geblieben ist: (SZ 204: 03 vom 3./4.09.2016; SZ 201: 48, R13 vom 01./02.09.2018; DIE ZEIT 07: 53 vom 07.11.2019, DER SPIEGEL 07:44-45 vom 09.02.2019, SZ Nr. 40: 48 vom 16./17.02.2019, Nr. 287: R1 vom 12.12.2019; Nr. 291: R11 vom 16.12.2019; SZ 180: R1 vom 07.08.2023); denn dieser Sachverhalt bestätigt meine obigen Ausführungen dahingehend, dass sich die Verhältnisse inzwischen nicht gebessert haben. Dementsprechend der Aufruf der prominenten Schauspielerin J. Roberts: "Wenn Du jemanden siehst, der sich schwer tut, Freunde zu finden oder gemobbt wird, weil er oder sie nicht viele Freunde hat oder schüchtern ist oder nicht so hübsch,..., bitte schau nicht weg. Sag hallo oder schenke ihm wenigstens ein Lächeln auf dem Gang." (SZ 208: 08 vom 09.09.2019).

Mit dem dummen Inhalt Ihrer Zeilen haben Sie in mir ein letztes mal das Wüten und den Zorn der ganzen Welt heraufbeschworen: es verletzt unsäglich, als seelisch schwer Versehrter in gleicher Sache wiederholt gekränkt worden zu sein, indem Sie - Ihr geheucheltes Nichtwissen bemühend - indirekt behaupteten, von meinem Leid nichts bemerkt zu haben sowie voreilig mit dem Allgemeinplatz sich verdünnisieren wollten, "dass für Dich nun alles was mich betrifft geklärt ist". Das erinnert an nichts anderes als an die obligatorische Wirklichkeitsverweigerungstaktik, die nach erfolgreicher Auflösung totalitärer Unrechtssysteme die Täter- und Mitläuferschaft epidemisch befällt. Ihr Schreiben ist oberflächlich, meidet feige die meisten Hauptpunkte unseres Konfliktes, läßt Offenheit und Ehrlichkeit vermissen und erscheint mir nicht nur stellenweise hilflos. Das hat mich sehr enttäuscht. Wenn das schon alles war, was Sie mir mitzuteilen hatten, dann tun Sie mir sehr leid.

Der in Ihrem kurzen Schreiben an mich per Datum und Unterschrift bekundete absolute Totalwille zum Leugnen, Lügen, Bagatellisieren und Euphemisieren ist derart markerschütternd urdeutsch, dass man ihn jederzeit gerne auch als arisch bezeichnen kann. Und all die anderen Botschaften zwischen den Zeilen Ihres Schreibens, die Sie mir unbewusst über sich selbst übermittelten, kommentiere ich hier besser nicht; der Volksmund kennt dafür eine große Zahl sehr treffender und deftiger Begriffe. Ihr Text zeigt auch, dass Sie in all diesen Jahrzehnten keinen einzigen Millimeter vorangekommen sind, Sie Sitzenbleiber/in! Sie haben damals versagt, indem Sie schon als junger Mensch Ihre Macht mißbrauchten: erst unterließen Sie es, mir zu helfen; dann mobbten Sie mich. Und dazu können Sie nicht stehen, da Sie aus so einem Holz nicht geschnitzt sind. Sie haben mir genau das Gegenteil der Wahrheit geschrieben und sich selbst damit am meisten geschadet. Im Innersten aber fühlen Sie sich mir gegenüber ganz zurecht schuldig und meiden deshalb den Kontakt, weil Sie die Peinlichkeit Ihrer überfälligen Erklärung fürchten. Ihr schlechtes Gewissen, Ihre Hilflosigkeit, Selbstverstricktheit und Angst mir gegenüber ist Ihr eigenes Problem, das alleine Sie selbst mit Bedacht geschaffen haben.

Und sollten Sie an dieser Stelle immer noch fragen, was dieser aufgewärmte alte Kram denn soll, dann versuchen Sie, folgende Grundaussage über die prinzipielle Geschichtlichkeit der Gegenwart und eines jeden Daseins zu verstehen:
"WAS DER MENSCH SEI, SAGT IHM NUR SEINE GESCHICHTE. UMSONST WERFEN ANDERE DIE GANZE VERGANGENHEIT HINTER SICH, UM GLEICHSAM NEU ANZUFANGEN. ABER SIE VERMÖGEN NICHT ABZUSCHÜTTELN, WAS GEWESEN; UND DIE GÖTTER DER VERGANGENHEIT WERDEN ZU GESPENSTERN. DIE MELODIE DES LEBENS IST BEDINGT DURCH DIE BEGLEITENDEN STIMMEN DER VERGANGENHEIT" (Wilhelm Dilthey 1833-1911).
Oder kurz und knapp: wer seine Vergangenheit nicht kennt, der hat keine Zukunft. Nun nochmal zur Verdeutlichung: Sie lesen hier keine ollen Kamellen! Kein Mensch entkommt seiner Geschichtlichkeit; und das gilt auch für Sie.

Was blieb mir damals Substanziell-Tiefgreifend-Schönes in dieser verzweifelten und prekären Lebensphase, das für mich sinnstiftend und emotionalen Halt gebend war in all der entgrenzten Verlassenheit inmitten so vieler junger und strahlender Menschen? Es waren vor allem einige der herausragenden Kulturschöpfungen, die uns vermittelt wurden:
- Beethovens 5. Sinfonie, Bachs Matthäuspassion, Ravels Bolero, Mussorgskis Bilder einer Ausstellung, Orffs Carmina Burana, Smetanas Moldau, Schuberts Gretchen am Spinnrade, Liszts Totentanz;
- die Schönheit und Eleganz naturwissenschaftlicher Gesetze;
- Dürers Melancholia;
- Celans Todesfuge;
- der geniale Leitsatz von Sokrates: "Sprich, damit ich Dich sehe";
- Konstantinos Kavafis "Ithaka";
um nur einige zu nennen.
In diesen Welten der Kunst und des Geistes spürte ich gedankliche Tiefe, Intensität und Dynamik, Ringen um die Wahrheit, Harmonie, moralische Größe und Integrität, Transparenz, intensives Leuchten, kristallene Klarheit, Humanität, Sehnsucht, Ästhetik, Sensibilität, Vollkommenheit, Kontemplation, Erkenntnis, Dramatik, inneren Glanz sowie an fernen Ufern endlich wahre und große Liebe. Es gab mir sehr viel, von diesen Zuständen und Eigenschaften zu wissen. Auf diese wunderbaren und erstaunlichen Schöpfungen des Geistes war absoluter Verlass, denn sie waren immer da und gaben mir seelischen Halt. Und all das Ästhetische und Interessante, das wir vermittelt bekamen und das ich selbst allmählich immer deutlicher in den Formen und Vorgängen der Natur zu erkennen begann, überwog bei weitem die paar eher weniger netten, dafür aber oberflächlichen Begebenheiten, welche die Gruppe daselbst nach der Entlassung durch ihr Verhalten mir gegenüber als Heucheleien entlarvte. Im absoluten, leeren und hoffnungslosen Nichts gestrandet erstummte ich vorübergehend in einer alles verzehrenden Sehnsucht nach Schönheit, Wahrheit, Humanität, Wärme und Liebe.
Hatte denn niemand aus der Gruppe auch nur eine Sekunde lang den Verdacht, dass das Verhalten mir gegenüber grundfalsch und zutiefst ungerecht war? Alle wussten doch, dass ich wegen meiner guten Ideen, Begeisterungsfähigkeit und Ernsthaftigkeit ein interessanter Gesprächspartner war. Freilich war ich damals überaus schüchtern, still-zurückhaltend, gehemmt und verunsichert. Aber wenn man mehr auf mich zugegangen wäre, mich wirklich und ehrlich integriert und mich ernst genommen hätte, dann hätte ich sicher bald Vertrauen gefasst und mich erklärt.

Absolut zernichtender Fakt ist, dass nach dem Abgang keine einzige Person der Gruppe mich aus persönlichem Interesse kontaktierte; und das, obwohl wir alle aus einer damals eher dörflichen Gemeinde und ihrer nächsten Umgebung stammten. Das ist nichts anderes als eine unfassliche Grobheit, für die sich selbstredend keine einzige Person der Gemeinschaft bei mir jemals entschuldigt hat.
Wie kann nun erklärt werden, dass nach so vielen gemeinsam in der hoffnungsfrohen Jugendzeit verbrachten Jahren einem keiner mehr etwas zu sagen hat? Das hat, neben den genannten Gründen, auch damit zu tun, dass aller Gemeinschaftssinn - der auch in langjährigen Studien in dieser Anstalt intensiv theoretisiert und vertieft wurde - nach der Entlassung manipulationsbedingt sofort abgelegt wurde, weil im mainstream rücksichtsloses Konkurrenz- und Karrieredenken sowie optimierte Angepasstheit, Untertanengeist und Unterwürfigkeit ganz groß angesagt waren: d. h. picometergenau musste darauf hingearbeitet werden, gesellschaftlich eingerichteten und traditionell vorgegebenen Zwangsrollen zu genügen und überall und immer die erste, schnellste, intelligenteste und die beste Bestie zu sein und die reichste Bestie mit den heissesten Drähten zu den einflussreichsten Interessenverbänden zu werden. Diese alle sozialen und humanitären Grundlagen zerstörenden Systemzwänge hat schon der Schriftsteller Oskar Maria Graf im Jahr 1927 in seinem Werk "Wir sind Gefangene" prinzipiell dargelegt.

Wir hätten besser daran getan, zerstörendes Konkurrenzdenken und das "Besser-Wichtiger-Wertvoller-sein-Wollen-als" aufzugeben und statt dessen in aller Ruhe Erfahrungen ehrlich auszutauschen, uns in konstruktiven Dialogen gegenseitig zu stützen und uns selbst kennen zu lernen, zueinander humanitär, fair, respektvoll und ehrlich zu werden, dies dauerhaft zu bleiben und zumindest diese Qualität des Zusammenseins zu halten. Wir hätten uns ein kleines Glück der Geborgenheit schaffen können inmitten all der Schiffsbrüche und den wachsenden Unsicherheiten und Risiken; wir hätten zusammen in einem Freundeskreis uns verstehen lernen und miteinander in Frieden altern können. Wir Senioren könnten z. B. auch ab und an beisammensitzen und aus jahrzehnte langer Erfahrung heraus gegenwärtige Probleme diskutieren und versuchen, Lösungsvorschläge zu entwickeln. Aber das wird wohl eh schon ohne mich realisiert sein.
Das hätte wirklich ergreifend schön werden können; etwas Besseres, meine ich, hätten wir kaum schaffen können nach dem Doof-Distress in genannter Anstalt. Denn man genießt doch nur ein einziges mal - und das nur für sehr kurze Zeit - das Glück des Bewusstseins, das neben Selbstreflexion intensiven und komplexen gedanklichen Austausch mit anderen ermöglicht. Denn vor und nach dem Leben - der Zeit des Lichts - war und wird noch weitaus weniger sein als als ewige und allumfassende, unfassbar schwarze Stille in einem zeit- und raumlosen, unendlichen Nichts.
Warum hat die Gruppe denn schon zu Lebzeiten - und das bestimmt nicht im Dauerzustand unverbesserbarer kollektiver Unbewußtheit - diesen grauenvollen Zustand des Verlassen- und Geächtetseins heraufbeschworen und mir damit Angst und Schrecken eingejagt, indem sie mich mit größter Sorgfalt jahrzehntelang perfekt ignorierte und totschwieg? Warum ging sie mit mir so um, als wäre ich schon zu Lebzeiten tot? Warum denn ganz unnötig und absichtlich noch mehr Endlichkeit draufsetzen auf die naturgegebene Endlichkeit? Als ob es nicht schon genug wäre mit letzterer.
Die Kardinalfrage geht aber an die Gruppe selbst: wie konnte es geschehen, dass sie sich selbst einen so großen Schaden freiwillig antat, indem sie auf mich völlig verzichtete? Etwa aus Dummheit? Ist es nicht unendlich traurig, was sie deshalb alles unwiderbringlich versäumte, welche Möglichkeiten sie sich nahm und wie schwer sie sich selbst verletzte? Waren wir nun im Sinne eines "Füreinander da sein" in der Gruppe oder um eines "Gegeneinander" Willen?

Für die schrillsten Dissonanzen, die meine nahen Verwandten durch ihre Diensttätigkeiten in den Parallelgruppen in den Anstalten erzeugten, bin ich nicht verantwortlich. Aber es war ein kapitaler Fehler, dass sich die betroffenen Gruppen an einem fast Wehrlosen rächten, ihn als Sündenbock abstraften und ihn letztendlich dämonisierten ("Hugo Habicht, der üble Erfinder"). Das war Gruppensadismus und gleichzeitig Sippenhaft. Alle gegen einen, der nachweislich nicht schuldig sein konnte; das war sehr unfair und besonders primitiv. Schämt Euch allesamt für alle Zeiten in Grund und Boden! Gedenket Eurer triumphalen moralischen Schlichtheit. Rauf mit Euch auf die Schandesel am Pranger! Streut Asche auf Eure ergrauten und gelichteten Häupter! Hier setzte man doch nur ein Unrecht auf das nächste drauf, anstatt all den widerlichen und ekelhaften Störenfrieden das in exakt derselben Qualität und Quantität zeitnahe zurückzugeben, was von denen ausging. Die externen Stressoren der Gruppe blieben wegen ihrer Macht und ihren höheren gesellschaftlichen Rängen unbestraft ("Da Oba schdicht an Unta"; "alle sind gleich, aber einige sind halt gleicher") und die Gruppe reagierte zwecks Selbststabilisierung ihren Druck an einem ihrer Schwächsten ab. Ich kann der Gruppe ganz zu recht zurufen: "Ihr wusstet ganz genau, was Ihr tatet!" und "Warum habt auch Ihr mich verlassen?" Ihr hattet wirklich keinen vernünftigen Grund, mich zerstören zu wollen.

Somit habt Ihr nur dem Regelfall entsprochen: "Man holt sich erlebte Gewalt zurück, indem man über andere verfügt" (Dr. habil. B. Schellhammer in SZ Nr. 13: R6 vom 16.01.2019). Viel besser ist, wenn man anders handelt, indem man die Folge der Gewalthandlungen beendet: für mich war der Riesenpacken erfahrener Gewalt kein Grund, über andere herrschen und ihnen auf diese Art Leid zufügen zu wollen.

Ich habe damals als Heranwachsender ganz gewiss nicht darum gebeten, in eine Anstaltsgruppe gesetzt zu werden, die sich moralisch als besonders schwach erwies: die nichts Törichteres wusste, als sich über viele Jahre größte Mühe zu geben, mich - im übertragenen Sinne - zuerst zu geißeln und dann am Kreuz ganz langsam ersticken zu lassen, um anschließend mit Triumpfgebrüll den zerhackten Kadaver in eine cloaca maxima schmeißen zu können. Ich bin stolz darauf, dass sie an meinem Lebenswillen, meinem Optimismus und meiner Zähigkeit scheiterte. Aus all den Steinbrocken, die Ihr mir in den Weg legtet und die Ihr nach mir geschmissen habt, habe ich ein Museum, eine Burg sowie ein großes Mahnmal für Humanität, Fairness und Frieden gebaut: gegen verwerfliche Gewalt.

Hier ist genau das nicht geschehen, wofür sich die Autorin Astrid Lindgren ihr Leben lang engagierte: gewaltfreie Erziehung. Typisch, dass Astrid Lindgrens Dankesrede mit dem Titel "Niemals Gewalt" bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 22.10.1978 vom Komitee nur widerwillig geduldet war (DER SPIEGEL 39: 130-136 vom 19.09.2015; ). Ihre entscheidenden Worte waren: "Könnten wir es nicht vielleicht lernen, auf Gewalt zu verzichten? Könnten wir nicht versuchen, eine ganz neue Art Mensch zu werden? Wie aber sollte das geschehen, und wo sollte man anfangen? Ich glaube, wir müssen von Grund auf beginnen. Bei den Kindern....". Welche Tragik und welch katastrophales Versagen, dass diese Worte heute immer noch aktuell sind (SZ 114: 13 vom 19.05.2023).

Viel zu viele Gegenmenschen, nur ganz wenige Mitmenschen: es ist klar, dass nach Jahrzehnten das Warten auf ein persönliches Kontaktsignal sinnlos geworden ist und ich diese Situation hiermit radikal akzeptiere, entsprechend dem treffenden Satz "Don't spend time on problems You cannot solve" (Prof. Sierd Cloetingh, Vrije Universiteit Amsterdam, NL). Die Folge ist, dass ich im Gegenzug mir das Recht nehme, in diesem ganz speziellen Fall meinen Gemeinschaftssinn in letzter Konsequenz aufzugeben und auf keine Person der Gruppe mehr zu warten; mein Entschluß ist unwiderruflich. Allesamt haben sich so verhalten, dass sie mir nun wirklich egal geworden sind. Es tut mir mehr als nur gut, dass ich nun einen Schlußstrich unter das Hadern mit dieser schrecklicher Zeit gesetzt habe. Wie schön, wenn man so einen Klotz endlich vom Bein hat und sich mit sich selbst versöhnen konnte (SZ Nr. 23: 3 vom 29./30.01.2011).

Finis acerbus
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Ich schreibe hier auch für alle, denen es ähnlich geht oder ergangen ist und damit diese von allen Verlassenen, ins Nichts gestoßenen und vor dem Abgrund Taumelnden wieder Lebensmut fassen. Sie können hier erkennen, dass selbst schwerste Traumatisierungen, verursacht durch roheste seelische Gewalt, heil- und überwindbar sind und in hohe, positive und konstruktive Lebensenergien transformiert werden können, sobald Gründe, Entwicklungsgeschichte, Form und Struktur erlebten Unheils erkannt und analysiert worden sind. Dazu gilt folgender Grundsatz: "Man kann vernichtet werden, aber man darf nicht aufgeben" (Ernest Hemingway).
Ich freue mich auf all die vielen ruhigen Jahre, die noch kommen werden und auf all das, was ich in dieser Zeit zusammen mit meiner Frau schaffen werde, wovon andere Gemeinschaften mit menschlicherem Antlitz Freude und Nutzen haben werden. Ich freue mich um so mehr, weil ich einen Großteil meiner ursprünglichen Geselligkeit, Energie und Lebensfreude wieder gefunden habe.

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Das, was ein Bestseller-Autor, Psychologe, Germanist und Comedian über sein Dasein als "doppelter" Leererssohn schrieb, finde ich unpassend, unrealistisch, inhaltlich gnadenlos flach und für Betroffene oft erneut verletzend: Er versucht krampfhaft, diese Geworfenheit, die daraus entstehenden Befangenheiten, Konflikte, Mobbereien, Spötteleien, Sticheleien, Stigmatisierungen, Exklusionen - sprich: diese dysfunktionale Gruppendynamik samt Streitereien Vorwürfen, Irritationen, Ätzereien, Verunsicherungen, social distancing samt Sündenbock- und Lückenbüßerdasein - mit viel erfundener, bis in den Überdruß und ins Erbrechen getriebener Pseudo-Komik, -Ironie und ebensolchem -Ulk, Fake-Blödsinn und -Klamauk den zerstörerischen, nadelspitzen Stichen ins Herzzentrum hinein ihre Schärfe und Grausamkeit zu nehmen; er versucht zudem, die sich in den Jahren scheinbar endlos wiederholenden Spießrutenläufe zu bagatellisieren und höchst unangenehme situative Peinlichkeiten zu glätten. Ich kann einem Text, der auf solch ungeschickte Weise versucht, genannte Geworfenheit abzuhandeln, nichts abgewinnen, weil darin Ernst und Brutalität des tatsächlichen Geschehens entweder verkannt oder kleingeredet werden. Der Autor schreibt nicht die traurige Wahrheit: dass nämlich Betroffene vom Beginn dieser Geworfenheit bis ans Lebensende beeinträchtigt sind. Der Autor schadete damit allen erneut, denen es ähnlich oder gleichermaßen erging. Und in seinem Interview zum Thema "Alte Anstalt" (SZ 247: 22 vom 26.10.2020) äusserte er zudem unbewusst Unreife und Dünkel, indem er es fertigbrachte, sich mit den Worten "..selbst die Dümmsten..." über einige seiner Anstaltsinsassen zu erheben und die auf diese Weise Addressierten herabzusetzen und zu kränken. Äusserungen dieser Art zerstören garantiert jede alte Freundschaft.

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Selbstinterview "Alte Anstalt":
Erster Reihe oder letzte Bank? Je weiter hinten, desto erträglicher. Wollte Übersicht und größtmögliche Distanz zu permanenter Gefahr, die mal von der Schreibtafel und mal von Lehrerpult drohte. Influencer oder Follower? Weder noch. Blieb extern, weil Integration allstimmig verwehrt. Hobby in der Pause? Oft alleine blöd rumstehen mit flauem Magen vor dem, was einen gleich nachher erwartet. Größte Stunde: Ist jedes Anstaltsjahr erneut ersatzlos ausgefallen. Das würde ich gerne vergessen: Nichts ist vergessen; alles blieb im Traumagedächtnis präsent und abrufbar. Sonst würde ich ja vergessen wollen, zu was ich selbst und andere Menschen fähig sind. Vergessen wäre absichtlicher Selbstbetrug, verantwortungslos und schon wieder dumm. kEin Denkmal, sondern ein düsteres Mahnmal gebührt den Latein-, Sozialkunde-, Wirtschaftskunde- und Mathematiklehrer*innen, weil sie mich in einen abscheulichen Abgrund an schwärzester Pädagogik, Leistungsstress, Versagensangst und Unterdrückung stießen; anstatt zu unterrichten, richteten sie ab und versuchten, mich zum reibungslos funktionierenden Untertanen zu trainieren, dressieren, drillen. Eine Anstaltsinsassin brachte es damals auf den Punkt: "Autoritärer Haufen". Lernen - aus eigenem Antrieb und zwangbefreit - ist Selbstbefreiung von Unmündigkeit, Angst, Unwissenheit und Unterdrückung sowie der Königsweg hin zu Selbstbestimmung, Erkenntnis, Selbsterkenntnis, Selbstwert, Selbstbehauptung, Selbstverantwortung und hin zu den positiven Inhalten der Kultur. Viele der Anstaltsinstruktoren haben uns das erfolgreichst vermasselt. Noten sind das Allerletzte, weil die Mehrheit sie als absolutes Werturteil über einen Menschen versteht. Eine Jahreszeugnisvergabe ist grausames und unfaires Ritual der Unterdrückung und der Festschreibung - per unterschriebenem Urteil - der ungleichen Wertigkeit/Qualität von Menschen, obwohl beides verfassungsrechtlich verboten ist. Die Anstalt darf kein blöder und unangenehmer Ort sein, sondern müsste ein solcher des Willkommenseins, der Geborgenheit, des differenziert Gefördertseins, der Geduld, des wahren Interessiertseins, der Kreativität, der Wissensgier und der breit angelegten Lebenskompetenzvermittlung sein: ein Ort, an den man gerne geht und an den man sich gerne erinnert. Und keine spießig-kleinkarierte Büffel- und Auswendiglernanstalt, die Katastrophengestalten wie das Gretchen Vollbeck und den Arthur (siehe Ludwig Thoma: Lausbubengeschichten) seit mehr als 150 Jahren in hoffnungslosen Endlosserien wie am Fließband produziert. Entschuldigen muß ich mich ausschließlich bei der damaligen Instruktorin für Kunst und Kunstgeschichte: Wegen Faulheit habe ich sie wochenlang auf die Fertigstellung der gestellten Aufgaben warten lassen; und die von mir erstmals vernommenen Namen der Expressionisten Marc und Macke erzeugten bei mir bezeichnenderweise nur Lautäusserungen gehobener Heiterkeit; wie peinlich. Leider habe auch ich es mit dieser hiermit gegebenen Geste zerknirschter Selbsteinsicht zu spät werden lassen. Entschuldigen braucht sich bei mir niemand mehr. Denn Jahrzehnte später wäre eine solche Geste - wie bei der zu spät begonnenen Aufarbeitung von Unrecht - nur mehr wertlos und erneut kränkend.

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